Niemand kennt den Tag oder die Stunde

Es gibt zwei bekannte Aussagen in der Bibel, die im Zusammenhang mit der Endzeit verwendet werden, um Spekulationen vorzubeugen, wann die Entrückung stattfinden könnte. Der eine ist "wie ein Dieb in der Nacht", und der andere "niemand kennt den Tag oder die Stunde“. Aber was bedeuten diese Formulierungen eigentlich wirklich?
Lassen Sie mich von vornherein sagen, dass ich nicht glaube, dass irgend jemand auf Erden den Tag oder die Stunde der Entrückung im Voraus wissen kann, weil ich nicht glaube, dass sie an einem bestimmten Tag oder zu einer bestimmten Stunde stattfinden wird. Ich denke, sie findet statt, wenn eine bestimmte Anzahl von wiedergeborenen Gläubigen erreicht ist, und ich gründe diese Schlussfolgerung auf mein Verständnis von Römer 11,25:
"Denn ich will nicht, meine Brüder, dass euch dieses Geheimnis unbekannt bleibt, damit ihr euch nicht selbst für klug haltet: Israel ist zum Teil Verstockung widerfahren, bis die Vollzahl der Heiden eingegangen ist; …"
Es gibt zwei griechische Wörter in diesem Vers, die wesentlich für ein rechtes Verständnis sind. Das erste wird mit "Vollzahl der Heiden" übersetzt. Zu Paulus Zeiten war es ein nautischer Begriff, der für die vorgegebene Anzahl von Matrosen stand, die zum Betrieb eines Schiffes erforderlich waren. Solange das Schiff nicht die volle Anzahl von Besatzungsmitgliedern hatte, konnte es offiziell nicht in See stechen. Wenn es Zeit war, den Hafen zu verlassen, gingen Schiffskapitäne, denen noch ein oder zwei Männer fehlten, manchmal spät in der Nacht in die Wirtshäuser am Hafen auf der Suche nach betrunkenen Matrosen, die sie entführen konnten. Wenn sie die benötigte Anzahl Matrosen hatten, setzten sie sofort die Segel.
Und der Zweite mit "eingegangen" übersetzte Ausdruck ist ebenfalls ein nautischer Begriff, der die Ankunft eines Schiffes an seinem Bestimmungsort meint. Wir alle haben schon Leute sagen hören, wie viel besser das Leben sein wird, „wenn ich erst angekommen bin“ ("wenn mein Schiff erst eingelaufen ist").
Mit diesen Worten wollte Paulus sagen, dass die Verhärtung des Herzens Israels erst dann vollständig beseitigt sein wird, wenn die Gemeinde Jesu ihre vorherbestimmte Zahl erreicht hat und an ihrem beabsichtigten Ziel ankommt, das der Herr in Johannes 14,2-3 „das Haus meines Vaters“ genannt hat. Es war ein Hinweis auf die Entrückung. Gott handelt hier nicht willkürlich. Er hat die Zahl bereits festgelegt und wird die Gemeinde Jesu an ihren beabsichtigten Bestimmungsort bringen, sobald diese Anzahl erreicht ist. Aber soweit ich das beurteilen kann, kennt niemand auf Erden weder die vollständige noch die aktuelle Zahl. Wir wissen nur, dass wir entrückt werden, wenn die Vollzahl der Heiden erreicht ist, und das könnte buchstäblich an jedem beliebigen Tag geschehen. Dann werden wir verschwinden, die Scheuklappen werden Israel abgenommen und die siebzigste Woche der Weissagung des Propheten Daniel beginnt.

Aber zurück zum eigentlichen Thema. Was bedeuten diese beiden Ausdrücke eigentlich und sollen sie tatsächlich Spekulationen über den Zeitpunkt der Entrückung verhindern?

 

WIE EIN DIEB IN DER NACHT

Wenn Sie die Doppelungen herausnehmen, erscheint dieser Satz viermal im Neuen Testament. Schauen wir uns jede einzelne an und sehen wir, was sie uns sagt.

"Von den Zeiten und Zeitpunkten aber braucht man euch Brüdern nicht zu schreiben. Denn ihr wisst ja genau, dass der Tag des Herrn so kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. Wenn sie nämlich sagen werden: »Friede und Sicherheit«, dann wird sie das Verderben plötzlich überfallen wie die Wehen eine schwangere Frau, und sie werden nicht entfliehen. Ihr aber, Brüder, seid nicht in der Finsternis, dass euch der Tag wie ein Dieb überfallen könnte; …" (1. Thess. 5,1-4).
Dies ist das einzige Mal, dass Paulus diesen Ausdruck verwendet. Es ist klar, dass er von den Gerichten der Endzeit sprach, die der ahnungslosen Welt die totale Zerstörung bringen werden. Während diese Zeit für Ungläubige eine Überraschung sein wird, sollten die ihr vorausgehenden Ereignisse, uns nicht überraschen. Die Entrückung wird in diesem Zusammenhang aber nicht erwähnt .

"Es wird aber der Tag des Herrn kommen wie ein Dieb in der Nacht; dann werden die Himmel mit Krachen vergehen, die Elemente aber vor Hitze sich auflösen und die Erde und die Werke darauf verbrennen." (2. Petrus 3,10).
Nur hier verwendet Petrus diesen Ausdruck, und wieder bezieht er sich auf die Endzeitgerichte, nicht auf die Entrückung.

"So denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast, und bewahre es und tue Buße! Wenn du nun nicht wachst, so werde ich über dich kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht erkennen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde. " (Offb. 3,3).
Johannes benutzte den Ausdruck zweimal, wobei er beide Male den Herrn zitierte. In Offbarung 3,3 kritisierte er die Gemeinde in Sardes, die meiner Meinung nach hauptsächlich die heutigen Protestanten meint. Er erinnerte sie daran, dass sie von seinem Wort abgewichen sind und besser aufwachen und wieder dahin zurückkehren sollten. Sonst werden sie nicht wissen, wann Er zu ihnen kommen wird. Beachten Sie den Ausdruck "über dich kommen" am Ende von Offb. 3,3. Bei der Entrückung kommt Jesus nicht "über uns", sondern "
zu uns", und wir begegnen Ihm in der Luft. Die Menschen, zu denen Er in Offenbarung 3,3 spricht, werden bei der Entrückung nicht dabei sein. Und wenn sie nicht noch aufwachen, wird selbst die Wiederkunft Jesu sie überraschen. (Vers 4 erwähnt aber, dass nicht alle in "Sardes" schlafen. Es gibt einige wenige unter ihnen, die für die Entrückung bereit sind und mit ihm in weißen Gewändern gehen werden).

"Siehe, ich komme wie ein Dieb! Glückselig ist, wer wacht und seine Kleider bewahrt, damit er nicht entblößt einhergeht und man seine Schande sieht!" (Offb. 16,15).
In Offenbarung 16,15 befindet sich die Welt bereits weit in der Großen Trübsal. Daher warnt der Herr die Gläubigen der Trübsalszeit, sich in der schrecklichsten und gefährlichsten Zeit, die die Welt je erlebt hat, retten zu lassen. Wenn Kleider symbolisch verwendet werden, wie es hier der Fall ist, stehen sie immer für Rechtschaffenheit, und die Gläubigen der Trübsalszeit werden dafür verantwortlich sein, ihre eigene zu bewahren.

 

NIEMAND KENNT DEN TAG ODER DIE STUNDE

Nun sehen wir uns den anderen bekannten Ausdruck an:

"Um jenen Tag aber und die Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, sondern allein mein Vater. Wie es aber in den Tagen Noahs war, so wird es auch bei der Wiederkunft des Menschensohnes sein." (Mt. 24,36-37).
Gehen wir ein paar Verse zurück, um sicherzustellen, dass wir hier den richtigen Kontext haben. Nach dem Ende der Großen Trübsal (Mt. 24,29) wird es verschiedene Zeichen am Himmel geben. Die Sonne und der Mond werden sich verfinstern und die Sterne werden vom Himmel fallen. Dann wird das Zeichen des Menschensohnes erscheinen, und alle Völker werden wehklagen. Danach werden sie ihn kommen sehen in den Wolken mit Macht und großer Herrlichkeit (Mt. 24,30). Sowohl aus dem Kontext als auch aus dem Text selbst geht klar hervor, dass der Tag und die Stunde, auf die sich der Herr in Matthäus 24,36-37 bezog, die Wiederkunft des Herrn ist.
Einige Verse später wiederholte der Herr denselben Gedanken, wiederum im Zusammenhang mit der Wiederkunft des Herrn:
"So wacht nun, da ihr nicht wisst, in welcher Stunde euer Herr kommt! Das aber erkennt: Wenn der Hausherr wüsste, in welcher Nachtstunde der Dieb käme, so würde er wohl wachen und nicht in sein Haus einbrechen lassen. Darum seid auch ihr bereit! Denn der Sohn des Menschen kommt zu einer Stunde, da ihr es nicht meint." (Mt. 24,42-44).
Der Herr kommt nicht, um bei der Entrückung in das Reich Satans einzubrechen. Er ruft uns aus ihm heraus. Und ein paar Verse später heißt es:
"... so wird der Herr jenes Knechtes an einem Tag kommen, da er es nicht erwartet, und zu einer Stunde, die er nicht kennt, und wird ihn entzweihauen und ihm seinen Teil mit den Heuchlern geben. Da wird das Heulen und Zähneknirschen sein." (Mt. 24,50-51).
Das kann sich auf keinen Fall auf die Entrückung beziehen, denn die Dinge, die er hier beschreibt, werden den Ungläubigen bei der Entrückung nicht passieren. Er spricht von den Gerichten, die auf seine Wiederkunft folgen. Dann sagt der Herr zum vierten Mal in 28 Versen, dass die Gläubigen auf der Erde zu der Zeit weder den Tag noch die Stunde seiner Wiederkunft kennen werden.

"Darum wacht! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde, in welcher der Sohn des Menschen kommen wird." (Mt. 25,13).
Dies steht im Zusammenhang mit dem Gleichnis der 10 Brautjungfern. In früheren Studien habe ich gezeigt, dass es in diesem Gleichnis nicht um die Gemeinde Jesu gehen kann. Sie ist die Braut, nicht eine der Brautjungfern. Es gibt auch nur eine Braut, nicht 10. Und das Bankett folgt der Hochzeit, es geht ihr nicht voraus. Es ist ausgeschlossen, dass eine frisch verheiratete Braut von einem Ehemann, der behauptet, sie nicht zu kennen, von ihrem eigenen Hochzeitsbankett ausgeschlossen wird. Das Gleichnis handelt von Überlebenden der Trübsal, von denen 5 gerettet werden und ins Königreich eintreten, während 5 von ihnen verloren gehen und nicht ins Königreich eingehen werden.

 

WOZU DAS GANZE?
"Von nun an liegt für mich die Krone der Gerechtigkeit bereit, die mir der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tag zuerkennen wird, nicht aber mir allein, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieb gewonnen haben." (2. Tim. 4,8).
Ich habe die Heilige Schrift vergeblich durchsucht, um eine Stelle zu finden, wo einer der beiden obigen Ausdrücke zu finden ist, der im Zusammenhang mit der Entrückung verwendet wird. Aber ich kann keinen einzigen Vers finden, in dem das der Fall ist. Wie ich gezeigt habe, weisen sie alle auf die Wiederkunft des Herrn hin, und sie sind alle auf Überlebende der Trübsal gerichtet, nicht auf die Gemeinde Jesu.
Allerdings habe ich immer wieder gefunden, dass der Herr die religiösen Führer seiner Zeit zurechtwies, weil sie ihn nicht erwartet hatten. Er kritisierte die Pharisäer dafür, dass sie nicht in der Lage waren, die Zeichen der Zeit zu erkennen (Mt. 16,2-4). Auch wir werden ermahnt, uns dessen bewusst zu sein. Zum Beispiel befahl uns der Herr, Daniels Prophezeiung der 70 Jahrwochen zu verstehen (Mt. 24,15). Paulus warnte uns davor, uns von den Ereignissen vor dem Tag des Herrn überrumpeln zu lassen (1. Thess. 5,4), und wie wir weiter oben im Text gesehen haben, versprach er, dass der Herr denen, die sich nach seinem Erscheinen sehnen, eine Krone verleihen wird. Und warum sollten wir uns nicht nach Seiner Erscheinung sehnen? Schließlich ist die Entrückung der Gemeinde Jesu eines der aufregendsten Dinge, die unser Schöpfer je für seine Nachfolger getan hat. Nicht umsonst nennen wir sie unsere selige Hoffnung. Ermutigen und trösten Sie sich deshalb untereinander mit diesen Worten!

 

Übersetzt aus dem Amerikanischen. Originaltext:

Jack Kelly: No one knows the day or the hour.  

in: "the prophecy watcher", 05.2020. S. 36-37.