Die Prophezeiung vom Wolf

Die Bibel enthält eine Prophetie, die buchstäblich übersehen wird. Sie handelt von zwei der bekanntesten Personen der Heiligen Schrift. Eine wird bei der Gründung von Davids Königreich vorgestellt und die andere während der Urgemeinde Jesu. Beide sind mittels prophetischer Aussage und durch die Tatsache verbunden, dass sie denselben Namen tragen. Dieses Vorzeichen spricht Bände über die Gnade Gottes.

Salomos unsterbliche Worte „Alles hat seine bestimmte Stunde, und jedes Vorhaben unter dem Himmel hat seine Zeit: …“ (Prediger 3,1) enthalten viel mehr als eine einfache Beobachtung des Lebensablaufs auf Erden. Sie beinhalten den Schlüssel sowohl fürs Verständnis biblischer Prophetie, als auch fürs geduldige Warten, dass sich Gottes Plan erfüllen wird.

In der Bibel gibt es Weissagungen, die mehrere Zeitalter umspannen, bis sie sich endgültig erfüllen. Zeit ist aber wesentlich fürs Verständnis und die fortlaufende Erfüllung von Gottes prophetischem Wort ist dabei ein großartiger Lehrer. In der Zerknirschung seiner späteren Jahre verstand Salomo das nur allzu gut. Weiter unten werden wir genauer hineinschauen in Salomos Ansicht über Zeit.

Zunächst werde wir aber die Leben von zwei Männern betrachten, die durch ein Jahrtausend voneinander getrennt sind. Trotzdem sind sie seltsamerweise verbunden durch Zeit, Schicksal und eine Prophetie des Alten Testaments. Gemeinsam erfüllen sie die Worte einer undurchsichtigen Aussage, die zunächst ziemlich schwer zu verstehen ist.

Aber die Zeit hat bereits viele ihrer Geheimnisse preisgeben müssen. Das wird ohne Zweifel auch so bleiben. Einige können wir heute sehen, andere warten noch auf ihre zukünftige Erfüllung.

Die besagte Prophetie wurde vor langer Zeit von Jakob kurz vor seinem Tod im 16. Jahrhundert vor Christus gegeben. Er versammelte seine 12 Söhne, um jedem von ihnen eine letzte, gottgegebene Voraussage mit auf den Weg zu geben. Dabei umspannte er die Jahrhunderte in einem Panorama, das die 12 Stämme Israels bis zum Zeitalter des Königreichs begleiten wird.

Seine Voraussagen beinhalten auch die großartige messianische Prophetie: „Es wird das Zepter nicht von Juda weichen, noch der Herrscherstab von seinen Füßen, bis der Schilo kommt, …“ (1. Mose 49,10). Sie sprechen vom Stamm Dan als einer „Schlange am Weg …, eine Otter auf dem Pfad“ (V. 17). Sie prophezeien Joseph eine Zukunft als „ein junger Fruchtbaum“, der die „Segnungen vom Himmel herab, mit Segnungen der Tiefe, die unten liegt, …“ (V. 22; 25) erhalten wird. Einige haben vermutet, dass es sich dabei um gewaltige, unerschlossene Ölvorkommen handelt.

Diese und weitere Prophezeiungen von 1. Mose 49 sind oft studiert worden und sind sehr wichtig für das Verständnis von Israels geschichtlicher Entwicklung. Doch die letzte von Jakobs 12 Prophetien wird normalerweise ignoriert.

Sie ist kaum mehr als ein Satz lang. Außerdem enthält sie eine dunkle Verdammung, die einen der 12 Stämme mit einem Raubtier vergleicht, nämlich einem hungrigen Wolf.

Von allen bösartigen Raubtiervisionen kann man sich ein Wolfsrudel unschwer als eine der bedrohlichsten vorstellen. Und doch steht es in Jakobs zwölfter und abschließender Prophetie, sich als böse Verdammung abzeichnend:

„Benjamin ist ein reißender Wolf; am Morgen verzehrt er Raub, und bis zum Abend verteilt er Beute.“ (V. 27).

Jeder weiß, dass Wölfe in Rudeln leben. Sie folgen ihrem Anführer und umzingeln und töten ihre Beute als Team. Das ist sicherlich kein Bild, das wir uns von einem der 12 gesegneten Stämme Israels machen würden. Es ist ganz im Gegensatz dazu geradezu ein Symbol kalkulierten Raubes. Selbst Jesus nutzt den Wolf als Symbol dunkler Bosheit:

„Der Mietling aber, der kein Hirte ist, dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht; und der Wolf raubt und zerstreut die Schafe.“ (Joh. 10,12).

Darüber hinaus wird der Wolf in überlieferten Legenden und Geschichten häufig als dämonisch dargestellt. Oft handelt es sich dabei um Verkörperungen dämonischer Geister. Denken Sie einen Augenblick lang an den Geist eines Werwolfs, der Besitz ergriffen hat von einem Menschen, der die Gegend mordend nachts bei Vollmond durchstreift.

Wie kann es angehen, dass die Nachkommen Benjamins vorherbestimmt sind eine Rolle zu spielen, welche diesem Raubtier ähnelt? Das sieht doch so aus, als wenn sie damit dem Erlösungsplan Gottes im Wege stehen würden. Wie können wir das angemessen auslegen? Und was bedeutet das auf lange Sicht?

 

Die beiden Saulusse

Zwei Männer werden in der Bibel als herausragende Beispiele hingestellt. Beide stammen aus dem Stamm Benjamin. Oder sollten wir hier lieber vom Stamm des Wolfes sprechen? Ihrer beider Leben demonstriert sowohl die Komplexität von Gottes Plan, als auch die Fülle seiner Gnade.

Einer dieser beiden ist der Apostel Paulus. Bei seiner Geburt in den Stamm Benjamin hinein wurde ihm der Name „Saul“ verliehen. Im Hebräischen kommt der Name „sha'ul“ vom Wortstamm mit der Bedeutung „erbeten“. Das “Theological Wordbook of the Old Testament” (Moody Press, 1980) definiert seine ursprüngliche Aussprache und Bedeutung wie folgt:

„Im Gebrauch zeigt „sha'al“ an, dass etwas oder jemand „gefragt“ ist – ob es sich dabei um Fragen bezüglich eines körperlichen Objektes … oder um dessen Bildung handelt oder ob es sich um einen Anspruch eines Vorgesetzten gegenüber seinem Untergebenen … oder um die Anfrage eines Bittstellers handelt.“ (S. 891).

Saulus, der intellektuelle Überflieger und pharisäische Prinzipienreiter tritt im Neuen Testament zunächst als Mann auf, der die junge Gemeinde Jesu vernichten will, bevor sie zu einer „abtrünnigen“ jüdischen Fraktion werden kann, welche die uralten Traditionen stürzen kann.

Er wurde von keinem geringeren als dem Hohepriester dazu beauftragt:

„Saulus aber, der noch Drohung und Mord schnaubte gegen die Jünger des Herrn, ging zum Hohenpriester
und erbat sich von ihm Briefe nach Damaskus an die Synagogen, in der Absicht, wenn er irgendwelche Anhänger des Weges fände, ob Männer oder Frauen, sie gebunden nach Jerusalem zu führen.
Als er aber hinzog, begab es sich, dass er sich Damaskus näherte; und plötzlich umstrahlte ihn ein Licht vom Himmel.
 Und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die zu ihm sprach: Saul! Saul! Warum verfolgst du mich?“ (Apg. 9,1-4).

 

Das Herz eines Wolfes

Es ist sehr wichtig zu erkennen, dass Saul(us) sich Briefe zur Autorisierung vom Hohenpriester „erbat“, bevor er gen Damaskus reiste. Der hier im Neuen Testament verwendete Ausdrucks „aiteo“ bedeutet „(an)fragen“. Dadurch wird der Name Sauls zur Handlung, die ihn auf eine Mission brachte, die in der Zeit begann und in der Ewigkeit endet. Als das Licht vom Himmel ihn umstrahlte, offenbarte es sein dunkles Herz – das Herz eines Wolfs, der gerade dabei ist, die Schafe zu zerstreuen.

Zu der Zeit waren etwa sieben Jahre seit Jesu Auferstehung vergangen und die junge Gemeinde hatte sich über Judea und Samaria hinaus bis in die Gegenden außerhalb Israels ausgebreitet. Saulus fühlte deutlich die Notwendigkeit, die entlegenen Gemeinde auszulöschen, bevor sie die jüdischen Gemeinschaften dort beeinflussen konnten.

In einer der bekanntesten Erzählungen der Bibel wird Saulus auf dem Weg nach Damaskus niedergestreckt und erlebt eine dramatische Umkehr. In den nächsten drei Jahrzehnten seines Lebens zeigt Saulus die radikalste Veränderung, die man sich überhaupt vorstellen kann. Seine unbeugsame Hingabe ans jüdische Gesetz und pharisäische Tyrannei wurde zu Gnade. Aus Hochmut wurde Demut. Saulus wurde zum Paulus (das griechische „paulles“ meint „klein“ oder „winzig“). Diesen Namen führt er, als er auf seine erste Missionsreise aufbricht. Der Großartige wurde zum kleinen und demütigen Diener. Nur dadurch wurde er als würdig angesehen, das Werk des Herrn zu treiben. Interessanterweise wird er im Neuen Testament nur 26-mal „Saulus“ genannt, im Gegensatz zu seinem neuen Namen „Paulus“, mit dem er 157-mal bezeichnet wird.

Genau so wichtig ist, dass die Zeit für ihn zur Ewigkeit wurde. Derselbe Mann, der über die staubigen Straßen auf Erden wanderte, fing an, die goldenen Straßen des Himmels zu erleben. Seine Sicht wurde über das Vergängliche hinaus zum Unvergänglichen erweitert.

In seinem ersten Brief an die Korinther traf Paulus eine seltsame Aussage über die Zeit: Nach dem Aufzählen einer großen Zahl von Zeugen, welche die Auferstehung Christi bezeugen konnten, sagte er: „Zuletzt aber von allen erschien er auch mir, der ich gleichsam eine unzeitige Geburt bin.“ (1. Kor. 15,8).

Hier sagt er buchstäblich, dass seine geistliche (Wieder-)Geburt „unzeitig“ (verfrüht) war. Das Griechische „ektroma“ bezeichnet eine Abtreibung bzw. vorzeitige Geburt. In gewissem Sinne traf Paulus die geistliche (Wieder-)Geburt unvorbereitet, weil ihm die Erfahrung fehlte, mit Christus vor dessen Auferstehung zu wandeln. Paulus geistliche Geburt geschah während er sich in einem unvorbereiteten Zustand befand. Es warf ihn auf die Straße nach Damaskus, während er die Christen verfolgte. Betäubt und geblendet lag er dort wie ein neugeborenes Baby.

In einem anderen Sinne aber wurde er verfrüht (wieder-)geboren, nämlich in Bezug auf die zukünftige Errettung des geliebten Israels. Paulus war als Absolvent der griechisch-römischen Schule von Tarsus und Student von Israels größtem Gelehrten Gamaliel in jedem Sinne des Wortes ein Repräsentant der Nation Israel: „Ich bin ein jüdischer Mann, geboren in Tarsus in Cilicien, aber erzogen in dieser Stadt, zu den Füßen Gamaliels, unterwiesen in der gewissenhaften Einhaltung des Gesetzes der Väter, und ich war ein Eiferer für Gott, wie ihr alle es heute seid.“ (Apg. 22,3).

Zweifellos sah er sich auf dem Höhepunkt seines Lebens als der perfekte Repräsentant des geistlichen Israel. Er erlitt aber den Schock seines Lebens, als der Herr ihn für einen speziellen Auftrag auserwählte. Ausgerechnet er sollte zum Apostel der Heiden werden.

Erstaunlicherweise wurde gerade er Teil des Volkes, das er zu zerstören gesucht hatte. Ironischerweise wurde dieser gesetzliche Prinzipienreiter ausgesondert, damit ausgerechnet seine Briefe die Definition des Leibes Christi zeigen sollten – des Leibes, der durch Gnade gerettet und durch Glauben gerechtfertigt wird.

Nach seinen eigenen Worten war er eine „unzeitige“ Geburt, während sein Volk weiterhin in Ignoranz und geistlicher Blindheit wandelte. Auch wenn er sie als verloren ansah, so vergaß er sie doch niemals:

„Brüder, der Wunsch meines Herzens und mein Flehen zu Gott für Israel ist, dass sie gerettet werden. Denn ich gebe ihnen das Zeugnis, dass sie Eifer für Gott haben, aber nicht nach der rechten Erkenntnis. Denn weil sie die Gerechtigkeit Gottes nicht erkennen und ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten trachten, haben sie sich der Gerechtigkeit Gottes nicht unterworfen. Denn Christus ist das Ende des Gesetzes zur Gerechtigkeit für jeden, der glaubt.“ (Röm. 10,1-4).

Aber auch wenn sie noch nicht errettet waren, so wusste er doch, dass es für sein Volk noch eine Zukunft geben würde. Die 12 Stämme sind in einer sehr speziellen Art und Weise in die Bibel geschrieben. Ihnen ist ein besonderes Schicksal im Königreich des verheißenen Landes vorbestimmt. Aber zwischen der Errettung Paulus und der Nation Israel sollten noch etwa 2000 Jahre verstreichen. Daher auch seine Aussage zu früh geboren worden zu sein.

Ungefähr 25 Jahre später schrieb er in seinem Brief an die Philipper über sein früheres Leben als Autorität in Israel:

„ … obwohl auch ich mein Vertrauen auf Fleisch setzen könnte. Wenn ein anderer meint, er könne auf Fleisch vertrauen, ich viel mehr: beschnitten am achten Tag, aus dem Geschlecht Israel, vom Stamm Benjamin, ein Hebräer von Hebräern, im Hinblick auf das Gesetz ein Pharisäer, im Hinblick auf den Eifer ein Verfolger der Gemeinde, im Hinblick auf die Gerechtigkeit im Gesetz untadelig gewesen. Aber was mir Gewinn war, das habe ich um des Christus willen für Schaden geachtet; …“ (Phil. 3,4-7).

Hierin verwirft Paulus seine stolze Herkunft aus dem Stamm Benjamin. In dessen Tradition war er ein reißender Wolf gewesen – ein Raubtier, das die Gemeinde Jesu zerstören wollte. Nun, aus der Sicht seines neuen Lebens in Jesus, sieht Paulus seine jüdischen Wurzeln als wertlos an. Er erkennt, dass sie in den Augen der Welt als wertvoll erscheinen mögen.

Und in seinem vorherigen Leben ging er ja auch mit leidenschaftlicher Wut vor, um den klassischen Judaismus zu verteidigen.

In einem dramatischen Augenblick auf dem Weg nach Damaskus wurde die Benjamin prophezeite Rolle durch ein Akt der Gnade umgestoßen. Der reißerische Wolf wurde zu einem Diener des Großen Hirten. Dieser Augenblick schlägt durch die Raumzeit immer noch Wellen bis in unsere Zeit, da weiterhin Menschen das Wort Gottes durch Paulus über-weltliche Briefe annehmen.

 

Der Wolf, der König war

Gerade mal tausend Jahre vor diesen Ereignissen wurde ein anderer Mann namens Saul vom Propheten Samuel zum König gesalbt und stieg auf, um erster König von Israel zu werden. Zunächst war Saul ein demütiger, bescheidener und stiller junger Mann. Er war hochgewachsen, stattlich und die Bibel berichtet von ihm, dass er hervorragende Charaktereigenschaften hatte. Gott wusste, dass die Israeliten ihn um einen König angerufen hatten, und Saul war der Erwählte.

Die Art und Weise wie Saul erwählt wurde schien zufällig zu sein, aber natürlich gibt es keine Zufälle in Gottes Plan. Saul hatte die Eselinnen seines Vaters verloren und suchte daher einen Seher auf, nämlich Samuel, der ihm erzählen konnte, wo sie waren. Er dachte, wenn sie wiedergefunden würden, dann würde der Seher Lohn dafür verlangen.

Zur selben Zeit sprach der Herr zu Samuel und informierte ihn, dass Saul sich näherte. Dem Propheten wurde erzählt, dass dieser Mann der nächste Führer Israels sein werde. Die Leute hatten einen König verlangt. Mit anderen Worten hatten sie „gefragt und verlangt“. Und nun kam die Antwort vom Herrn. Wie sich herausstellte würde Saul zu einer großartigen Veranschaulichung der alten Maxime werden: „Sei vorsichtig was du betest; denn der Herr könnte es erhören.“ Der Herr sprach zu Samuel:

„Morgen um diese Zeit will ich einen Mann aus dem Land Benjamin zu dir senden, den sollst du zum Fürsten über mein Volk Israel salben, damit er mein Volk aus der Hand der Philister errette; denn ich habe mein Volk angesehen, weil sein Rufen vor mich gekommen ist! Sobald nun Samuel den Saul sah, ließ ihn der HERR wissen: Siehe, das ist der Mann, von dem ich dir gesagt habe, dass er über mein Volk herrschen soll! Und Saul trat zu Samuel im Stadttor und sprach: Sage mir doch, wo ist hier das Haus des Sehers? Und Samuel antwortete dem Saul und sprach: Ich bin der Seher! Geh vor mir her zur Höhe hinauf; denn ihr sollt heute mit mir essen, und morgen will ich dich ziehen lassen; und alles, was in deinem Herzen ist, will ich dir sagen! Um die Eselinnen aber, die dir vor drei Tagen verloren gegangen sind, sorge dich nicht; denn sie sind gefunden! Und wem gehört alles Begehrenswerte in Israel? Nicht dir und dem ganzen Haus deines Vaters? Da antwortete Saul und sprach: Bin ich nicht ein Benjaminiter, von einem der kleinsten Stämme Israels, und ist mein Geschlecht nicht das geringste unter allen Geschlechtern der Stämme Benjamins? Warum sagst du mir denn solche Worte?" (1. Sam. 9,16-21).

Der Benjaminiter Saul fing als bescheidener Mann mit wenig Selbstvertrauen an, wurde dann aber zum rasenden und unentschlossenen Tyrannen. Er war von Gott erwählt, um zu zeigen, dass der Anschein von Macht nicht ausreicht. Äußerlich sah alles großartig aus, aber innerlich hatte Saul ein schwerwiegendes Charakterproblem. Unter Stress handelte er unüberlegt. Er war für Israel Anschauungsunterricht, dass wahre Leiterschaft vom Geist des Herrn kommt und nicht aus menschlichen Fähigkeiten.

Seine größte Sünde war der Ungehorsam Gott gegenüber bezüglich der Sache mit den Amalekitern. Nachdem er ihren kriminellen König Agag gefangen genommen hatte, verwarf Saul seine vom Recht zugewiesene Rolle die Todesstrafe über ihn zu verhängen. Weiterhin ließ Saul ihre Herden am Leben und erlaubte seinen Männern Beute von den Amalekitern in ihre Zelte zu tragen – alles in direkter Auflehnung gegen Gottes Befehl. Am Ende wurde er zu einem Fluch für sein Volk, die bald schwerwiegende Aufstände erleben sollten, während die Macht von Saul auf David übertragen wurde. Am Ende zog Gott seinen Segen ab:

„Aber der Geist des HERRN wich von Saul, und ein böser Geist, von dem HERRN [gesandt], schreckte ihn. Da sprachen Sauls Knechte zu ihm: Siehe doch, ein böser Geist von Gott pflegt dich zu schrecken!“ (1. Sam. 16,14-15).

Im Großen und Ganzen war Saul eher ein Scharfrichter denn ein König für Israel. Genau wie Jakob den Nachkommen Benjamins so viele Jahre zuvor prophezeit hatte, wurde er zu einem reißerischen Wolf, der sein Volk für seine eigenen Zwecke missbrauchte. Sein von Eifersucht getriebener Wettkampf mit David offenbart ihn dabei als hinterlistig und verschlagen.

 

Saul und das Totenreich (Sheol)

Das bringt uns zu einer weiteren großartigen prophetischen Wahrheit über Sauls Name: In Hebräisch wird das genau so ausgesprochen wie der „sheol“! Dies Wort aus dem Alten Testament meint Unterwelt, Grab oder Grube und wird mit denselben vier Buchstaben geschrieben: „she'ol“, hat aber verschiedene Selbstlaut-Verweise, so dass es „she'ol“ anstatt „sha'ul“ ausgesprochen wird.

Bedenkt man König Sauls letztendliche Begegnung mit dem Geist aus der Unterwelt, so hat diese Tatsache besondere Bedeutung.

Außerdem sammelten die Philister sich zum Kampf und König Saul hatte keine Ahnung, wie er darauf reagieren sollte. Als letzte Möglichkeit suchte er die Geisterbeschwörerin in Endor auf. Ihn trieb die verrückte Idee Samuel aus dem Grab heraufzubringen, damit er ihm einen Rat geben könne. Saul verkleidete sich und besuchte sie für eine Konsultation. Zunächst weigerte sie sich und erinnerte ihn, dass sie gemäß Sauls eigenem Erlass dafür getötet werden könnte.

Völlig verzweifelt versprach Saul ihr, dass sie nicht für ihre böse Tat bestraft werden würde:

„Da sprach die Frau: Wen soll ich denn heraufbringen? Er sprach: Bring mir Samuel herauf! Als nun die Frau Samuel sah, schrie sie laut und sprach zu Saul: Warum hast du mich betrogen: Du bist ja Saul! Und der König sprach zu ihr: Fürchte dich nicht! Was siehst du? Die Frau sprach zu Saul: Ich sehe ein Götterwesen aus der Erde heraufsteigen! Er sprach: Wie sieht es aus? Sie sprach: Es kommt ein alter Mann herauf und ist mit einem Obergewand bekleidet! Da erkannte Saul, dass es Samuel war, und er neigte sich mit seinem Angesicht zur Erde und verbeugte sich. Samuel aber sprach zu Saul: Warum hast du mich gestört, indem du mich heraufbringen lässt? Und Saul sprach: Ich bin hart bedrängt; denn die Philister kämpfen gegen mich, und Gott ist von mir gewichen und antwortet mir nicht, weder durch die Propheten noch durch Träume; darum habe ich dich rufen lassen, damit du mir zeigst, was ich tun soll! Samuel sprach: Warum willst du denn mich befragen, da doch der HERR von dir gewichen und dein Feind geworden ist? Der HERR hat so gehandelt, wie er durch mich geredet hat, und der HERR hat das Königtum deiner Hand entrissen und es David, deinem Nächsten, gegeben.“ (1. Sam. 28,11-17).

Saul und seine Leute spielten die Rolle eines Wolfsrudels, die David umbringen wollten. Seine Herrschaft wurde mehr und mehr korrupt. Schließlich war er sogar bereit, mit der Unterwelt zu kommunizieren. Er wurde zu dem, was wir heute „eine leere Hülle“ nennen würden. Äußerlich sah er gut aus, aber innerlich fehlten ihm Charakter und geistlicher Tiefgang.

Nach dem Tod seines Propheten und Beraters merkte Saul, dass er seinen Thron verlieren würde. Dadurch wurde er überaus verzweifelt.

Am Ende übertrat Saul sein eigenes Verbot mit Geistermedien umzugehen. Sein berüchtigter Besuch bei der Hexe zu Endor riefen Samuels letzte Worte aus dem Grab wieder hervor. Sie läuteten seine Totenglocke:

„Weil du der Stimme des HERRN nicht gehorcht und seinen glühenden Zorn gegen Amalek nicht vollstreckt hast, darum hat der HERR dir heute dies getan. Und der HERR wird auch Israel und dich in die Hand der Philister geben; und morgen wirst du samt deinen Söhnen bei mir sein. Auch das Heer Israels wird der HERR in die Hand der Philister geben!“ (1. Sam. 28, 18-19).

Nach seiner ersten Seance schloss Saul mit großer Bestürzung, dass der Geist des Herrn von ihm gewichen war. Auch würde Samuel nicht wieder erscheinen. Die Worte seines Fluches klangen noch in des Königs Ohren. Über die Jahre hatte Saul eine tiefe Abhängigkeit vom Propheten entwickelt. Er geriet in Panik.

Gleich danach starb Saul im Krieg mit den Philistern einen schmachvollen Tod. Verwundet stürzte er sich in sein eigenes Schwert. Saul, die „Wahl des Volkes“, löste sich in Hoffnungslosigkeit und Furcht auf, besessen von einem bösen Geist. Könnten wir es den Geist eines Wolfs nennen?

 

Ein Spiel mit Worten

In diesem historischen Moment wurde Sauls List und Betrug dem Licht der Wahrheit ausgesetzt. Saul (sha'ul), der hochgewachsene und stattliche Mann, den das Volk erwählt (sha'ul) hatte, war nun dabei, eine persönliche Anfrage (sha'ul) zu machen. Er fragte die Hexe Samuel heraufzuholen aus dem She'ol.

Mit diesem verblüffenden Wortspiel wird eine tragische und schlimme Episode der Geschichte Israels abgeschlossen. Dieser Moment in Zeit und Raum vereinigt die linguistische Bedeutsamkeit einer Abteilung, die viel mehr als das ist. Über Saul wurde prophezeit, dass er sich von seinem Charakter her wie ein reißerischer Wolf verhalten würde, der Teil eines Rudels ist. Aber wenn er vom Rudel getrennt ist und für sich allein jagen muss, dann zeigt er sich furchtsam, abwehrend und hilflos.

Ein Jahrtausend später kam ein weiterer Saul(us) hervor, ein zweiter Benjaminit, der als reißender Wolf gegen Gottes auserwähltes Volk auftrat. Er machte eine Anfrage (sha'ul) beim Hohenpriester und ihm wurde erlaubt die Synagogen in Damaskus nach Abtrünnigen vom jüdischen Glauben zu durchsuchen.

Auch er ging als Teil eines „Rudels“ vor, nämlich der Sekte der Pharisäer. Bei der Steinigung des Stephanus verhielt er sich genau in derselben Weise:

„ … und als sie ihn zur Stadt hinausgestoßen hatten, steinigten sie ihn. Und die Zeugen legten ihre Kleider zu den Füßen eines jungen Mannes nieder, der Saulus hieß.“ (Apg. 7,58).

Hier sieht man den jungen Saul(us) als Aufpasser bei der Exekution eines christlichen Märtyrers. Er tut das nicht allein. Sein „Jagdrudel“ leistet die Arbeit für ihn. Er scheint ziemlich erfolgreich bei seinen verruchten Verfolgungen gewesen zu sein, bis zu dem Augenblick, als der Herr ihn niederschlug. Aber im Gegensatz zum ersten Saul war dieser Saul Empfänger von Gottes wunderbarer Gnade. Der reißerische Saulus wurde zum ergebenen Paulus. Ein Angehöriger des reißerischen Stammes wurde dem Haushalt Gottes hinzugefügt. Er war eine „Frühgeburt“ - lange bevor der Rest des Stammes Benjamin und die anderen mit Gott versöhnt werden im wiederhergestellten Königreich.

 

Die menschliche Sichtweise von Zeit

Weiter oben sprachen wir über Salomos Diskurs über die Zeit und wie sie in den Plan Gottes passt. Die dann folgenden berühmten Worte zeichnen ein überzeugendes Bild von Zeit und Jahreszeiten. Sie werden oft zitiert – selbst von solchen, die auf diese Welt vertrauen und nicht auf den Herrn. Als verfeinerte Poesie angesehen werden diese dramatischen Wendungen auf Beerdigungen und bei Staatszeremonien aller Arten zitiert, wo sie die Zuhörer mit ihrer schlichten Wahrheit und ihrem dynamischen Lebensfluss auf Erden beeindrucken:

„Alles hat seine bestimmte Stunde, und jedes Vorhaben unter dem Himmel hat seine Zeit:
Geboren werden hat seine Zeit, und Sterben hat seine Zeit; Pflanzen hat seine Zeit, und das Gepflanzte ausreißen hat seine Zeit; Töten hat seine Zeit, und Heilen hat seine Zeit; Zerstören hat seine Zeit, und Bauen hat seine Zeit;
Weinen hat seine Zeit, und Lachen hat seine Zeit; Klagen hat seine Zeit, und Tanzen hat seine Zeit;
Steine schleudern hat seine Zeit, und Steine sammeln hat seine Zeit; Umarmen hat seine Zeit, und sich der Umarmung enthalten hat auch seine Zeit; Suchen hat seine Zeit, und Verlieren hat seine Zeit; Aufbewahren hat seine Zeit, und Wegwerfen hat seine Zeit; Zerreißen hat seine Zeit, und Flicken hat seine Zeit; Schweigen hat seine Zeit, und Reden hat seine Zeit; Lieben hat seine Zeit, und Hassen hat seine Zeit; Krieg hat seine Zeit, und Frieden hat seine Zeit.
Was bleibt nun dem Schaffenden von dem, womit er sich abmüht?
Ich habe das mühselige Geschäft gesehen, das Gott den Menschenkindern gegeben hat, damit sie sich damit abplagen.
Er hat alles vortrefflich gemacht zu seiner Zeit, auch die Ewigkeit hat er ihnen ins Herz gelegt – nur dass der Mensch das Werk, das Gott getan hat, nicht von Anfang bis zu Ende ergründen kann.“ (Prediger 3,1-11).

Diese rhythmischen Zweizeiler treffen genau den Nagel auf den Kopf der Existenz. Auch wenn das Leben wichtig zu sein scheint, so ist es doch vergänglich. Dinge, Ereignisse und Menschen haben einen Anfang und ein Ende. Auch wenn diese Wahrheit verblüffend offensichtlich zu sein scheint, so ignorieren Menschen sie doch in der Regel. Sie messen ihren Erfolgen große Bedeutung zu und handeln, als wenn ihr Verhalten irgendwie die Menschheit erretten könnte.

Auch wenn Salomos Leben eine einzige Zur-Schau-Stellung von Reichtum und Macht war, so wurde es am Ende doch in einen Strudel von Ausschweifung und politischen Konflikten gerissen. Auch wenn er in seiner Jugend um Weisheit gebeten hatte, um sein Volk führen zu können, so ignorierte er Gottes Weisheit doch mehr und mehr. Die 40 Jahre seiner Regierung hatten das Volk zutiefst gespalten. Als er starb, zerbrach es in zwei Teile. Die Gründe für diesen katastrophalen historischen Zerbruch liegen auf der Hand: Seine 700 Hauptfrauen und 300 Nebenfrauen hatten ihm sein Herz, seine Seele und seine Anbetung geraubt. Er errichtete Höhen für Kemosch und Moloch. Das waren Götzen der Moabiter und Ammoniter, denen Kinder geopfert wurden!

„Da wurde der HERR zornig über Salomo, weil sein Herz sich abgewandt hatte von dem HERRN, dem Gott Israels, der ihm zweimal erschienen war, ja, der ihm gerade wegen dieser Sache das Gebot gegeben hatte, dass er nicht anderen Göttern nachwandeln solle; aber er beachtete nicht, was ihm der HERR geboten hatte.
Darum sprach der HERR zu Salomo: Weil dies von dir geschehen ist und du meinen Bund nicht bewahrt hast, noch meine Satzungen, die ich dir geboten habe, so will ich dir gewiss das Königreich entreißen und es deinem Knecht geben!“ (1. Kön. 11,9-11).

So wurde Salomos Stamm Juda gefährdet, von Israel abgerissen und allmählich geschwächt. Am Ende wurden sowohl Israel, als auch Juda besiegt. Zuerst rissen die Assyrer, dann die Babylonier die 12 Stämme auseinander. Was so vielversprechend begonnen hatte, wurde wie Staub im Wind.

Salomo schrieb das Buch des Predigers kurz vor seinem Tod. Seine Herrlichkeit war am bröckeln. Er fing an das „Leben unter der Sonne“ (d.h. die sichtbare Welt) als leer und wertlos zu erkennen. Dabei erinnerte er sich an seine Vergangenheit:

„Ich, der Prediger, war König über Israel in Jerusalem. Ich richtete mein Herz darauf, mit Weisheit alles zu erforschen und zu ergründen, was unter dem Himmel getan wird. Das ist ein mühseliges Geschäft, das Gott den Menschenkindern gegeben hat, damit sie sich mit ihm plagen sollen. Ich beobachtete alle Werke, die getan werden unter der Sonne, und siehe, es war alles nichtig und ein Haschen nach Wind!
Krumme Sachen kann man nicht gerade machen, und die, welche fehlen, kann man nicht zählen.
Da redete ich mit meinem Herzen und sprach: Siehe, nun habe ich mir mehr und größere Weisheit angeeignet als alle, die vor mir über Jerusalem herrschten, und mein Herz hat viel Weisheit und Wissenschaft gesehen; und ich richtete mein Herz darauf, die Weisheit zu erkennen, und zu erkennen, was Tollheit und Unverstand sei; aber ich habe auch das als ein Haschen nach Wind erkannt.
 Denn wo viel Weisheit ist, da ist auch viel Enttäuschung, und wer sein Wissen mehrt, der mehrt seinen Schmerz.“ (Pred. 1,12-18).

Hier beklagt Salomo die traurige Wahrheit, dass seine Herrschaft sich dem Ende zuneigt und ein zerrüttetes und hoffnungsloses Wirrwarr von Konflikten und Götzendienst war. Jetzt fällt ihm auf, dass er hilflos ist. Nachdem er in seiner Jugend für die großartige Gabe der Weisheit gebetet und sie erhalten hat, scheint er beinahe geschockt einzusehen, dass selbst das nicht ausreichte, um das Königtum Davids zu vervollkommnen:

Ganz richtig bemerkt er, dass das Leben „krumm“ ist und man es „nicht gerade machen“ kann. Das ist ein Bild auf die Sünde der Menschheit. Ein flüchtiger Blick in die Geschichte zeigt auf, dass Salomo hier die Wahrheit sagt. Eine Unzahl von Plänen und Programmen sind aufgekommen und gegangen, aber die Probleme der Welt sind geblieben und werden sogar noch größer. Armut und Hungersnot nehmen überhand, wie auch die Korruption unter Menschen, die Steuern unter dem Vorwand kassieren eben diese Armut damit beenden zu wollen.

Salomo beobachtete, was die wirklich weisen Menschen heute wissen: die Sünde des Menschen ist das Problem und kein König oder menschliche Regierung, wie weise sie auch immer sein mögen, kann das korrigieren oder sogar lösen. Ein Jahrtausend nach Salomo bemerkte Jesus, dass dieser Zustand anhalten würde.

Er sagte: „Denn die Armen habt ihr allezeit bei euch, und ihr könnt ihnen Gutes tun, wann immer ihr wollt; mich aber habt ihr nicht allezeit.“ (Markus 14,7).

Das war natürlich seine Antwort an Judas, welcher die wohlklingende Idee verkündet hatte, dass Armut gelöst werden könne, wenn man Geld hineinpumpen würde. Salomo hatte alles Geld der Welt und erkannte, dass es gar nichts ausrichten konnte. In gewissem Sinne lebte er, um aufzeigen zu können, dass selbst die größte menschliche Weisheit unzureichend ist, um den grundsätzlichen Makel des Menschen zu beheben. Seine berühmten letzten Worte sind ein Klassiker:

„Die Worte der Weisen sind wie Treiberstacheln, und wie eingeschlagene Nägel die gesammelten [Aussprüche]; sie sind von einem einzigen Hirten gegeben.

Und über diese hinaus, lass dich warnen, mein Sohn! Des vielen Büchermachens ist kein Ende, und viel Studieren ermüdet den Leib. Lasst uns die Summe aller Lehre hören: Fürchte Gott und halte seine Gebote; denn das macht den ganzen Menschen aus. Denn Gott wird jedes Werk vor ein Gericht bringen, samt allem Verborgenen, es sei gut oder böse.“ (Prediger 12,11-14).

Am Ende erkannte Salomo, dass menschliche Weisheit nichts ändern kann, aber dass „die Worte der Weisen wie Treiberstacheln sind“. Der Treiberstachel war ein Stecken, an dessen vorderen Teil ein spitzer Gegenstand befestigt war. Man hinderte damit Tiere am Ausschlagen. Dies sind Gerichtsworte, von denen er wusste, dass er sie verdiente. Er wusste, dass er machtlos war und die Souveränität Gottes erkennen musste. Er konnte der stechenden Verurteilung seiner eigenen Worte nicht entkommen. 

In gewissem Sinne wird der sterbliche Mensch niemals Gottes vollkommenen ewigen Plan erkennen können. Das ist nichts Neues für jemanden, der mehr als einige Minuten lang über kosmische Komplexität nachgedacht hat. Doch selbst mit diesen Gedanken im Sinn sollten wir die Idee nicht verdrängen, dass Gottes Wort eine Art Übersetzungsgerät ist, dass uns ermöglicht die Ewigkeit durch die endliche Linse dieses Universums zu erkennen. 

Das ist wichtig; denn auch wenn die Erlösung ewig ist und Hoffnung spendet, so wird sie doch nur im Fluss der Zeit erkannt. Wir sehnen uns verzweifelt nach der Erlösung gerade jetzt, aber der Plan Gottes fließt durch den Strom der Zeit … Die Ewigkeit wird in spezielle Zwecke zerstückelt, aber die wirklichen Gründe dafür bleiben verborgen, bis zur endgültigen Öffnung der Gerichtsbücher.

Aus Sicht der Vergänglichkeit ist das Rationalisieren die einzig sinnvolle Methode in einer zeitlich begrenzten Welt, in der die eigenen Leistungen sich am Ende des Lebens einfach auflösen werden. Reichtum und Freizeit sind offensichtlich vergänglich. Salomo scheint geradezu dazu geboren worden zu sein diesen Punkt herauszuarbeiten. Gefeiert als weisester Mann, der je gelebt hat, erlebte er jede Form von Genuss während eines Lebens voller Schönheit und Segen. Und doch hatte er am Ende seines Lebens seinen Reichtum verschleudert und Liederlichkeit, Götzendienst und Streitereien als Erbe zurückgelassen.

 

Paulus und die passende Zeit

Weisheit ist schön und gut, soweit sie helfen kann, aber Salomo kam zu dem Schluss, dass sie am Ende doch nur das Problem der Menschheit beschreiben kann. Sie kann niemals etwas lösen. Alle Bücher der Welt sind lediglich eine traurige Chronik der Schwäche des menschlichen Fleisches. Die wahrhafte Lösung fängt mit der Furcht Gottes an.

Tatsächlich sollte Paulus im Neuen Testament noch erkennen, dass seine erstaunlich komplexe Pharisäer-Weisheit nur die ersten Bruchstücke des Anfangs waren. Das Wort des Herrn an Paulus spiegelte Salomos Weisheit wider. Während strahlendes Licht auf ihn schien, wunderte Saulus sich lautstark, was eigentlich los war.

„Er aber sagte: Wer bist du, Herr? Der Herr aber sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Es wird dir schwer werden, gegen den Stachel auszuschlagen!“ (Apg. 9,5).

Diese „Stacheln“ sind ein Bezug auf dieselben Ochsen-Treiberstacheln, die Salomo erwähnte. Man befestigte sie an einem Pflug oder Karren, damit die Zugtiere ihre Besitzer nicht treten konnten. Im Prediger vergleicht Salomo Worte der Weisheit mit diesen Treiberstacheln, welche die Tiere hinderten aus der Spur zu laufen. Das war aber auch schon alles, was sie leisten konnten. Wie effektiv die Stacheln auch immer waren, sie konnten niemals das Wesen der Tiere ändern.

Und das bringt uns zur Frage der Wiedergeburt – dem einzigen Heilmittel der verworfenen menschlichen Natur. Erinnern wir uns: als Paulus sich später selbst mit einer „unzeitigen Geburt“ vergleicht, da bezog er das auf sich als Benjaminiter, welcher von einem reißerischen Wolf zu einem Diener des Herrn verwandelt wurde.

In der Folge wurde ihm mehr und mehr bewusst, dass seine eigenen Volksgenossen nach dem Fleisch, also der Rest des Stammes Benjamin, noch nicht wiedergeboren waren. Auch war ihre Zeit dafür noch lange nicht gekommen. Paulus konnte nicht einmal ahnen, dass von seiner eigenen Wiedergeburt bis zur Errettung des ganzen Stammes Benjamin zumindest 2000 Jahre vergehen würden. Er wusste nur, dass er selbst die Erlösung weit vor ihrer Fälligkeit erlebt hatte. Letztlich galt seine Leidenschaft seinem eigenen Volk: „Brüder, der Wunsch meines Herzens und mein Flehen zu Gott für Israel ist, dass sie gerettet werden.“ (Röm. 10,1).

„Ich frage nun: Hat Gott etwa sein Volk verstoßen? Das sei ferne! Denn auch ich bin ein Israelit, aus dem Samen Abrahams, aus dem Stamm Benjamin. Gott hat sein Volk nicht verstoßen, das er zuvor ersehen hat!

Oder wisst ihr nicht, was die Schrift bei Elia sagt, wie er vor Gott gegen Israel auftritt und spricht: »Herr, sie haben deine Propheten getötet und deine Altäre zerstört, und ich bin allein übrig geblieben, und sie trachten mir nach dem Leben!« Aber was sagt ihm die göttliche Antwort? »Ich habe mir 7000 Männer übrig bleiben lassen, die [ihr] Knie nicht gebeugt haben vor Baal.« [1. Kön. 19, 14;18]. So ist nun auch in der jetzigen Zeit ein Überrest vorhanden aufgrund der Gnadenwahl.“ (Röm. 11,1-5).

Das gilt bis auf den heutigen Tag. Was ist aber mit dem Stamm Benjamin? Der existiert heute noch als Gruppe. In den kommenden Tagen des Gerichts und der Trübsal wird dieser Stamm eine wichtige Rolle zu spielen.

Ohne Zweifel werden viele ihrer nicht erretteten Angehörigen ihre Rolle als reißerische Wölfe gut spielen. Offenbarung 7,8 teilt uns aber mit, dass zumindest 12000 von ihnen die Rolle ihres Bruders Saulus imitieren werden, der als Paulus das Evangelium des Herrn verkündigte.

PW