Vorwort zur dritten Auflage

Nachdenklich stimmende Beobachtungen

 

Während die dritte Auflage von „Die Christliche Musik unserer Tage auf dem Prüfstand“ in Druck geht, geben wir Gott allein die Ehre für seine weite Verbreitung. Ohne unser Dazutun hat es bereits erste öffentliche Auftritte auf verschiedenen Kontinenten gehabt. Allein durch Gottes Unterstützung hat dieses Buch seinen Weg in die Hände so vieler Menschen gefunden. Für viele ist es zum wohltuenden, Klarheit verschaffenden Buch geworden, wenn man das immer größer werdende Rätsel um HCM (Heutige Christliche Musik) und seine tückische Unterwanderungsfähigkeit bedenkt. Am Ende wurden wir von den Antwortbriefen und -telefonanrufen überwältig.

Die Veränderung der HCM geschieht mit großer Macht und Geschwindigkeit. Sie geht mit aggressiver Einschüchterung vor, um Akzeptanz zu bekommen und hat sich selbst in den heiligen Bereich fundamentalistischer Kirchen bzw. Gemeinden hineingemogelt. Dies ist in solch einem Umfang geschehen, dass mein geliebter Vater schon glaubt, dass der „Krieg gegen HCM im fundamentalistischen Bereich grundsätzlich schon verloren ist.“ Wenn wir auch auf eine Reformation hoffen, so könnte er mit seiner Beobachtung doch Recht haben. Man muss verstehen, dass HCM nicht bloß „Rock“-Musik ist. Sein elastisches Wesen spiegelt ein breites Spektrum unserer Zeit. Was wir heute in unseren fundamentalistischen Kirchen bzw. Gemeinden erleben, ist mehr als nur eine Verführung durch surrealistischen, ätherischen, eingängigen Sound von Klavier- oder Orchestervorspielen und sanfte, sich schlängelnde Melodien, die selbst unseren traditionellen Hymnen beigelegt werden. Deshalb übernehmen junge Leute auch so fröhlich die „Jugendcamp“-Lieder, die diese sorgfältig aufgebaute Form haben. Das ist wirklich der „Sound“ unserer Zeit. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Rock-Rhythmen auch dort Eingang finden.

Wir können jedoch nicht allein den Komponisten die Schuld geben, weil sie lediglich schreiben, was man ihnen in den Bibelschulen und anderen christlichen Schulen beigebracht hat (oder auch nicht). Es gibt ein eklatantes Defizit von theologischer und biblischer Lehre in den Musikstufen-Lehrplänen solcher Schulen. Eine „biblische“ Philosophie wird nicht als ein notwendiger, beständiger Wächter in all diesen Klassen angesehen. Die Lehrer liebäugeln und experimentieren mit dem Zeitgenössischen und dehnen dabei mehr und mehr den Bereich des noch Akzeptierten. Die Folge ist eine starke Zunahme der weichlichen Komponisten. All die Musikstudenten bekommen nicht mehr als lediglich einen einfachen Bibelübersichtskurs. Solche Abgänger kennen kein tiefschürfendes Bibelstudium, aus dem sie schöpfen könnten. Deshalb können sie auch nur das schreiben, was sie kennen. Aus solch einer saft- und kraftlosen Sicht christlicher Prinzipien kann nur eine Verdummung der Leute resultieren. Martin Luther glaubte ganz fest, dass ein Komponist ein Theologe sein muss, damit er überhaupt Musik für die Kirche bzw. Gemeinde schreiben kann. Das glauben heute nicht mehr viele Leute. Eklektizismus1 beherrscht heute den Theorieunterricht dieser Institutionen. Wenn dann diese Abgänger ihre Positionen in den Kirchen bzw. Gemeinden einnehmen, scheuen sich die Pastoren und Prediger, etwas gegen die modernistische Verwässerung zu sagen. Musiker können selbst auf die Anfragen und Angelegenheiten von Pastoren einschüchternd und temperamentvoll reagieren.

Ich werde weiterhin alle christlichen Komponisten, Lehrer und Pastoren ermahnen, zu einer biblischen Philosophie für ihre Musik umzukehren. Lassen sie sich nicht unter Druck setzen, den modernistischen Musikstil zu akzeptieren, der mehr und mehr zum Standard von „Spezialeinlagen“ in vielen Gottesdiensten wird. Es ist alarmierend, wenn man die Aufnahmen einer großen Anzahl unserer fundamentalistischen Schulen hört. Vieles aus dieser musikalischen Auswahl weist einen surrealistischen Sound auf. Das ist wie ein Beruhigungsmittel für die Seele und wirkt auf das Herz wie ein behutsam vorgehendes Mittel zur Aufnahme von Weltlichkeit und Fleischlichkeit. Wenn die Pastoren und Prediger nicht aufstehen und die modernistischen Lieder aus dem Chor und der Versammlung vertreiben, wird es mit der geistlichen Gesundheit unserer Kirchen und Gemeinden vorbei sein. Wenn der modernistische Geschmack erst einmal vom Herzen Besitz ergriffen hat, wird eine Rückkehr zu einem besseren Weg niemals mehr gewünscht.

Hat die fundamentalistische Bewegung den Kampf gegen HCM verloren?

 

Im Dienste des Allerhöchsten

Dr. H. T. Spence

10. Mai 1999

 

1 A.) (Abwertend:) Unoriginelle, unschöpferische geistige Arbeitsweise, bei der Ideen anderer übernommen oder zu einem System zusammengetragen werden.

B.) (Bildende Kunst; Literatur:) Rückgriff auf die Stilmittel verschiedener Künstler früherer Epochen mangels eigener schöpferischer Leistung.