Umschulung

 

Nach meinem Weggang von der Christlichen Schule suchte ich mir eine Umschulung, ging zum Arbeitsamt und ließ mir die genehmigen. Zu der Zeit war gerade Wahlkampf und die Mitarbeiter der "Agentur" hatten wohl Anweisung bekommen, so viel Leute wie irgend möglich aus der Arbeitslosen-Statistik zu bekommen. Daher war es sehr einfach, eine Umschulung finanziert zu bekommen; denn dann war man in der Statistik nicht mehr als Arbeitsloser geführt.

Ich wählte mir den Informatik-Kaufmann und hatte ernsthaft vor, nie wieder in irgend einer Schule Lehrer zu sein. Damit war ich durch.

Die Umschulung ging ganztägig zwei volle Jahre lang. Es war sehr schön für mich, selbst einmal wieder Unterricht und einen guten Überblick über den ganzen PC-Bereich zu bekommen. Das war nämlich seit meiner Studienzeit immer schon mein Hobby gewesen.

Während dieser Zeit hatte ich eine BWL-Dozentin, die aus den "neuen Ländern" kam - ich glaube aus Mecklenburg-Vorpommern. Sie kannte schon etwas von Betriebswirtschaft, auch wenn sie wohl zunächst nur die sozialistische Planwirtschaft kennen gelernt hatte. Den Rest hat sie sich sicherlich selbst schnell beibringen können. Immer wieder wunderte ich mich im Unterricht, wenn sie Gift und Galle spuckte über die Bedingungen und Ungerechtigkeiten der westdeutschen Wirtschaft. Darüber konnte sie sich immer weitschweifig auslassen. Irgendwie fragte ich mich immer, warum sie so verbittert war - bis heraus kam, dass sie direkt nach der Wende (1990) von ihrem Mann verlassen worden war. Er ging in den "goldenen" Westen und wollte sein Glück machen. Kein Wunder, dass meine Dozentin all die Fehler überdeutlich sah, die bei der deutschen Wiedervereinigung gemacht wurden.

Eine andere Dozentin war Pädagogin. Da sie ähnliche Erfahrungen mit Chefs gemacht hatte wie ich und wir ja nun auch sozusagen vom selben Fach waren, verstanden wir uns von Anfang an gut. Sie gab uns immer wieder Unterricht im Bereich Planung und Betriebsorganisation.

Einer der Dozenten unterrichtete uns im Programmieren und Internet-Techniken, ein weiterer in Netzwerk-Betriebssystemen und der ganzen technischen Seite des PC. Es war eine sehr weiträumig angelegte, aber fundierte Grundausbildung, die mir insgesamt einen prima Überblick über alles gab, was mit dem PC und Betriebswirtschaft zu tun hat.

Das letzte halbe Jahr der gesamten Zeit war einem Praktikum gewidmet, das ich in einer renommierten Netzwerk-Unterrichts-Firma ableistete. Die Firma gab sehr teure Kurse für Mitarbeiter anderer Firmen, die ihre Techniker oder Netzwerkadministratoren weiterbilden wollten. Der Umgangston war rau und die Dozenten mussten ständig auf der Hut sein, dass ihnen nicht irgend ein dorthin entsandter Mitarbeiter eins auswischte; denn meist hatten diese Leute keine Lust etwas zu lernen und schleppten den Unterricht hin. Sie betrachteten die Woche Unterricht eher als einen Erholungsurlaub und wehrten sich in der Regel vehement etwas von dem dargebotenen Stoff aufzunehmen. Der Unterricht war frontal und auf sehr hohem technischen Niveau, so dass ich oft überhaupt nicht mitkam.

Vereinbart war, dass ich dort die grundsätzlichen Kurse fürs Netzwerkbetriebssystem Novell Netware machen und dann als Angestellter Lehrer übernommen werden sollte. Der Chef hatte sich aber wohl etwas anderes mit mir ausgedacht: Er wollte, dass ich einige Kurse in Microsofts Windows NT absolviere und dann auf der Lotus-Notes-Schiene weiter machte. In diesem Bereich vermutete er die größten Gewinne in der Zukunft. Leider sagte mir niemand irgend etwas und ich musste alles mühsam selbst heraus bekommen. Außerdem war schnell klar, dass er sich an die Abmachungen nicht halten wollte, weil die Firma an ihren zukünftigen Angestellten dadurch sehr viel verdiente, dass sie ihnen die Kurse verkaufte. Danach sollten diese Mitarbeiter das viele Geld für die Kurse dadurch zurückbezahlen, dass sie sich für viele Jahre in der Firma verpflichteten und so also an das Unternehmen gebunden waren.

Daher bekam ich trotz anderer Absprachen nur einen einzigen Kurs in Novell Netware und auch nur einen einzigen für Microsofts Netzwerkbetriebssystem (Windows NT). Für alle anderen sollte ich mich wohl anmelden und sie dann auch selbst bezahlen.

Als ich einen Kurs für Lotus Notes mitmachte, wurde ich aber so krank, dass ich erst einmal zwei Wochen nicht kommen konnte. Es war zum Verzweifeln. Da war ich nun - hoch motiviert und bereit, fast alles dafür zu tun, dass ich endlich nicht mehr Lehrer an Staats- oder staatlich anerkannten Privatschulen sein musste. Endlich bekam ich die Chance dazu und Gott ließ mich so krank werden, dass der "Zug" vor meinen Augen ohne mich abfuhr. Es war zum Haare ausraufen. Gott hatte mir meinen Traum zerschlagen; denn ich wollte Netzwerktechniker werden.

Am Ende hatte ich keinen der Kurse fertig gemacht und also weder den MCSE (Microsoft Certified Software Engineer), noch sonst irgend einen Nachweis bekommen, mit dem ich mich in einer Firma (z.B. als Netzwerktechniker) hätte bewerben können.

Zurück in meiner umschulenden Firma schrieb ich eine Arbeit über Netzwerkbetriebssysteme und wie man den Lernstoff am Besten weitergeben sollte. Dieses Thema war so neu in der Branche, dass die Arbeit nicht zur Prüfung zugelassen wurde. Ich war ziemlich enttäuscht und nahm dann eines der Themen, mit denen die anderen durchgekommen waren: ein technisches Thema. Soviel zur Flexibilität der IHK (Industrie- und Handelskammer), die unsere Abschlussthemen abnehmen und bewerten sollte.

Dennoch bin ich heute noch dankbar für die ganze Ausbildung, auch wenn ich beim besten Willen noch nicht weiß, warum Gott mir diese Ausbildung hat zukommen lassen. Es war nämlich nicht die Arbeitsagentur, die mir diese Zeit und Gelegenheit gegeben hatte, sondern schon Johannes der Täufer wusste: "Ein Mensch kann nichts empfangen, es sei ihm denn aus dem Himmel gegeben" (Joh. 3,27).