Kapitel 2

 

Ein gutes Beispiel für ein schlechtes Vorbild


Wahrscheinlich ist das auffälligste Merkmal der christlichen Heimschulbewegung heute, dass wir uns solch ein schlechtes Sozialisationsmodell zum Vorbild genommen haben. Da wir unsere Kinder im Wesentlichen in derselben Art und Weise wie der Rest der Gesellschaft sozialisieren, scheinen wir an den menschlichen Aspekten dieser Gesellschaft nichts ernsthaft Falsches zu sehen. Ich denke, dies zeigt einen signifikanten Grad von geistlicher und intellektueller Kurzsichtigkeit bei uns.

Die amerikanische Gesellschaft ist moralisch und geistlich bankrott. Seit der haarsträubenden Gerichtsentscheidung im Fall „Roe gegen Wade“1 im Januar 1973 haben wir 25 Millionen Menschen in diesem Land legal ermordet. Das entspricht 10 Prozent unserer gegenwärtigen Bevölkerung. Dieses Gemetzel basiert auf der Unterscheidung zwischen einem „ menschlichen Wesen“ und einer „Person“ im juristischen Sinne. Die Fähigkeit zum rationalen Denken ist in unserem Land offensichtlich am Dahinschwinden.

So ungeheuerlich Abtreibung auch ist, so stellt sie doch nur die Spitze des Eisbergs dar. Heute gibt es in unserem Land eine Vielzahl sozialer Probleme, die nationale Katastrophen heraufbeschwören werden, wenn der Trend nicht umgekehrt wird. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass Heimschuleltern lernen, auf die Prinzipien der Bibel zu achten, statt auf die Gesellschaft um sie her, wenn es um ein Muster für sozialen Erfolg und Gesundheit geht.

Der frühere Kultusminister William Bennett hat uns mit seinem kürzlich veröffentlichten Artikel „Index of Leading Cultural Indicators“2 einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Dieser von der „Heritage Foundation“3, einem steuerbefreiten Politikforschungsinstitut, herausgegebene Bericht zeigt lebhaft den Rost auf, der an Amerikas Seele frisst. Ich nehme mir die Freiheit heraus, längere Passagen daraus zu zitieren, weil ihre Daten aktuell sind und sich mit sozialen Problemen befassen, die in vorderster Linie öffentlich diskutiert werden.

In seiner Einleitung sagt Dr. Bennett:

Während der letzten drei Jahrzehnte haben wir einen an die Substanz gehenden sozialen Rückgang erlebt. Heute fordert die soziale Zersetzung uns heraus und hat die Kräfte des sozialen Aufbaus in mancher Hinsicht bereits überholt. Wenn dieser Abbau anhält, wird er uns enorme menschliche Anstrengungen kosten.

Seit 1960 ist die Bevölkerung um 41 Prozent gewachsen, das Bruttosozialprodukt hat sich beinahe verdreifacht und die Gesamtausgaben der Regierung sind auf allen Gebieten von 143,73 Milliarden $ auf 787 Milliarden $ gestiegen (gemessen am Wert des Dollars von 1990), das ist ein mehr als fünffacher Anstieg. Der inflationsbedingte Anstieg der Sozialausgaben hat 630 Prozent überstiegen, bei den Bildungsausgaben sind es mehr als 225 Prozent. Die Vereinigten Staaten haben die stärkste Wirtschaft der ganzen Welt, einen gesunden Unternehmergeist, eine immer noch gesunde Arbeitsmoral und das Geld sitzt locker bei den Leuten - alles positive Zeichen.

Aber während derselben 30 Jahre ist die Verbrechensrate um 560 Prozent angestiegen, es gibt 400 Prozent mehr uneheliche Geburten, eine Vervierfachung der Scheidungsrate, eine Verdreifachung der Rate von Kindern, die bei einem allein erziehenden Elternteil leben, mehr als eine Verdoppelung der Jugendselbstmordrate und ein Rückgang von fast 80 Punkten beim SAT4-Stand. Die sozialen Symptome unserer Tage sind erheblich schlechter geworden, zumindest zum großen Teil. Für die Regierung, die für ihre Abschwächung Unsummen bezahlt, scheinen sie undurchsichtig geworden zu sein.5

Eine Lehrerbefragung ermittelte 1940 in öffentlichen Schulen die schwersten Schulprobleme: Dazwischenreden, Kaugummi kauen, Geschrei, Rennen im Flur, Vordrängeln, Verletzung der Kleiderordnung und achtloses Wegwerfen von Abfällen. 1990, also 50 Jahre später, führten die Lehrer auf: Drogenmissbrauch, Alkoholmissbrauch, Schwangerschaft, Selbstmord, Vergewaltigung, Diebstahl und Tätlichkeiten.

Wegen der ständigen Flut schlechter Nachrichten aus Radio, Fernsehen und Zeitschriften ist es leicht, dem wahren Zustand der amerikanischen Gesellschaft gegenüber abzustumpfen. In den folgenden Absätzen werde ich Bennetts Aufsatz nutzen, um den wahren Zustand aufzuzeigen, so weit Statistiken das können. Bitte versuchen Sie, es offenen Sinnes zu lesen und seien sie einfühlsam, was die Zahlen im Leben der einzelnen Menschen bedeuten.

Kriminalität: Seit 1960 ist die Bevölkerung lediglich um 41 Prozent gewachsen. Die Verbrechensrate dagegen wuchs im Schnitt um 300 Prozent und Gewaltverbrechen sogar um 500 Prozent. Unsere Gewaltverbrechensrate ist nun höher, als die irgendeiner anderen Industrienation der Welt.

Einige Sozial-„Experten“ machen die Armut für den Verbrechensanstieg verantwortlich. In der armen Nachbarschaft, sagen sie, ist das Verbrechen am Schlimmsten. Das ist töricht. Nur weil Verbrechen und Armut gleichzeitig existieren, ist das noch kein Beweis für einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang. Dennoch deutet die Bibel an, dass solch eine Beziehung existiert, mit dem bemerkenswerten Unterschied, dass nicht die Armut die Gewalt hervorbringt, sondern genau anders herum. Sprüche 13,25 sagt: „Der Gerechte isst, bis er satt ist, der Bauch der Gottlosen aber hat Mangel.“ Wenn wir nicht derart wenig über die Geschichte nachdenken würden, müssten wir nur in die 30er Jahre, in die Zeit der großen Depression, zurückblicken, um dies beweisen zu können. Während dieser Zeit erlebten die Vereinigten Staaten eine Arbeitslosigkeit von 25 Prozent, eine viel höhere Rate als heute, und viele andere Hinweise auf eine schwere Zeit, die wir heute nicht mehr kennen. Trotzdem war die Kriminalitätsrate viel niedriger. Unser Kriminalitätsproblem heute resultiert nicht aus unseren gewachsenen Schwierigkeiten, sondern weil wir trainiert sind, andere für unsere Probleme verantwortlich zu machen und sie als Entschuldigung für unseren Dickkopf zu missbrauchen.

Ein besonders beunruhigender Aspekt des Kriminalitätszuwachses ist, dass der höchste prozentuale Zuwachs an Gewaltverbrechen unter Jugendlichen zu finden ist. Bennett berichtet, indem er vom FBI bereitgestellte Statistiken nutzt, dass die Jugendkriminalität sich zwischen 1965 und 1990 fast vervierfacht hat. Dieser Anstieg war nach dem FBI nicht nur auf die innerstädtischen Minderheiten beschränkt, sondern gleichmäßig auf alle Rassen und sozialen Klassen verteilt.

Ein weiteres Symptom der nationalen Krankheit ist die Rate der Schwangerschaften unter Jugendlichen, der Geburten und Abtreibungen. Bennett sagt hier, indem er eine Studie mit dem Titel „Teen Sex“ aus der Zeitschrift „The American Enterprise“ vom Januar/Februar 1993 zitiert:

In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die Zahl der unverheirateten Jugendlichen, die schwanger werden, fast verdoppelt. … Anfang der 60er Jahre noch selten, wurde Ende der 80er Jahre fast eine von zehn unverheirateten Jugendlichen schwanger.

1990 hatten die Geburten bei allen unverheirateten Frauen im geburtsfähigen Alter einen Anteil von 28 Prozent an der Gesamtrate alle Geburten erreicht, wobei die Rate unter schwarzen Frauen auf unglaubliche 65,2 Prozent anstieg.

Selbstmord unter Jugendlichen hört man heute häufig in den Nachrichten. Die Selbstmordrate unter Jugendlichen hat sich seit 1960 mehr als verdreifacht. Damit kommt sie als Todesursache unter Heranwachsenden gleich nach den Unfällen (insbesondere mit motorisierten Fahrzeugen). Und wer weiß schon, wie viele Auto-“Unfälle“, bei denen Jugendliche starben, in Wirklichkeit Selbstmorde waren?

Scheidung geht in Amerika jetzt leicht zurück, aber die Anzahl der Eheschließungen pro Jahr auch. 1991 waren es noch 2.433.000 und 1.168.000 Scheidungen. Fast halb so viele Leute wie heirateten ließen sich 1991 scheiden, und das berücksichtigt noch nicht die in wilder Ehe zusammenlebenden Paare. Weniger als 60 Prozent der amerikanischen Kinder leben heute mit ihren leiblichen, verheirateten Eltern zusammen.

Ist etwa Bildung die Antwort auf unsere sozialen Probleme? Offensichtlich nicht. Bennetts Bericht zeigt, dass mehr Leute als je zuvor einen Hochschulabschluss machen. Wegen der vielen Doktorarbeiten über soziale Probleme, der unergründlichen Legasthenie unter Abgängern und dem Alkoholzuspruch von selbst älteren Hochschulabsolventen, mag das „Vertrauen“ in einen Hochschulabschluss geringer sein, als es einmal war.

Kurz gesagt zeigt Bennetts Artikel über Amerikas kulturelle Indikatoren, dass unsre Gesellschaft ein moralischer Sumpf geworden ist. Viele von uns sind immer noch geschockt, obwohl wir oft traurig stimmende Statistiken hören, wobei die Zahlen nicht das Elend eines Drogenabhängigen oder die vielen Tränen der Kinder darstellen können. Wenn wir aufgrund dieses Artikels irgendetwas sicher sagen können, so ist es, dass mit der Art und Weise, wie Amerikaner auf die Gesellschaft vorbereitet werden etwas furchtbar schief läuft. Es ist höchste Zeit, dass christliche Heimschuleltern aufwachen und begreifen, dass die Sozialisation unserer Kinder in einer sinnvollen Art ablaufen muss, nämlich auf der Bibel und nicht auf der gegenwärtigen Gesellschaft aufbauend.

 

Gottes Weg im Gegensatz zum menschlichen Weg

Ich glaube, dass soziale Versagen unserer Gesellschaft ist nur eine Folge des Versagens der Gemeinde Jesu, Salz und Licht für die Welt um sie her zu sein. Licht ist zur Erleuchtung und zum Sehen des rechten Wegs da. Salz ist ein Mittel zum Reinigen und Haltbarmachen. Es tötet Bakterien und schützt vor Zersetzung. Die Fäulnis unserer sozialen Struktur kommt vom fehlenden Salzgeschmack in unserer Nation. Deshalb geht unser Land kaputt und die Christenverfolgung wächst. Wir haben unsere Salzkraft verloren und werden unter den Füßen zertreten.

Zum Glück haben viele Gläubige, insbesondere aus der Heimschulbewegung, begonnen, wieder einen göttlichen Maßstab aufzurichten, indem sie Gottes erwählte soziale Einheit wieder aufbauen, nämlich die Familie. Wir kehren zu den absoluten moralischen Standards zurück, engen Familienbindungen und der elterlichen Verantwortung für die Ausbildung der Kinder.

Wenn ich es richtig sehe, wird der nächste wichtige Schritt für Heimschuleltern die Einrichtung einer gesunden sozialen Umgebung sein, in der unsere Kinder aufwachsen können. Das ist immer noch einer der wichtigsten blinden Flecke der Bewegung. Wir haben unsere Kinder aus einer ungesunden sozialen Umgebung herausgeholt, indem wir sie aus der Schule nahmen. Jetzt müssen wir diese Lücke mit sozialem Leben füllen, das sie ermutigen wird, statt sie mit einer antigöttlichen Weltsicht zu beeinflussen.

Wie ich schon sagte ist eines der Märchen im Umkreis der Heimschulbewegung, dass Kinder außerhalb der Schule sozial unterbelichtet wären. Daher soll es für Eltern wichtig sein, dass sie ihren Kindern viel Umgang mit Gleichaltrigen organisieren. Wir nehmen diese falsche Meinung nur an, weil wir unser ganzes Leben lang gesehen haben, dass mit Kindern in den Schulen so umgegangen wird. Es fällt uns schwer, uns irgendeine andere soziale Struktur für die Kindheit auszumalen.

Es gibt aber solch eine Struktur. Sie beinhaltet nicht nur das Mischen der Altersgruppen, sondern noch eine Reihe weiterer Merkmale. Ein Programm für eine gesunde soziale Entwicklung ist uns in der Bibel gegeben. Wir müssen sie nur erkennen wollen, wenn wir sie lesen. Lassen sie uns einen Blick auf Gottes Weg der Kindersozialisation werfen und ihn mit dem menschlichen Weg vergleichen.

Der menschliche Weg

Gottes Weg

Trenne die Altersgruppen voneinander.

Mische die Altersgruppen.

Suche dir Spielkameraden nach Lust und Laune.

Suche dir Kameraden, die man belehren und von denen man lernen kann.

Setze keine Charakterrichtlinien für potenzielle Spielgefährten.

Sei vorsichtig, bei potentiellen Spielgefährten ohne christlichen Hintergrund.

Entwickle Unabhängigkeit gegenüber deiner Familie.

Wachse in deine Familie hinein.

Habe keinen Respekt vor deinen Eltern.

Respektiere die Autorität deiner Eltern.

Gehe Freundschaften aus selbstsüchtigen Motiven ein.

Sieh, wie du deinen Freunden helfen kannst.

Benimm dich verächtlich gegenüber Älteren und Jüngeren.

Lerne respektvollen Umgang mit den Älteren und Einfühlungsvermögen gegen die Jüngeren.

Suche zufällige soziale Kontakte.

Wähle deine sozialen Kontakte bewusst.

Der letzte Punkt fasst die Philosophie von uns Boyers für soziale Kontakte zusammen. Die Idee, unsere Kinder lange mit jedem zusammen sein zu lassen, mit dem sie gerade zufällig zusammenkommen, ist uns so fremd wie ein Flug zum Mond in einer Waschmaschine. Leute, insbesondere junge Leute, neigen dazu, an denen zu hängen, mit denen sie gerade zusammen sind. Das ist gerade so gesund oder krank, wie der geistliche Einfluss, den die Gefährten auf unsere Kinder ausüben. In ihrem Buch „Life in the Classroom and Playground“6 spricht Bronwyn Davies über diese Tendenz, Sympathie für die zu entwickeln, mit denen wir unsere Zeit verbringen:

Erwachsene glauben, dass sich Freundschaften entwickeln, weil die Leute einander mögen. Sie fassen ihre eigenen Freundschaften als erwiderte Gefühle der Anziehungskraft auf. Kinder dagegen sehen die Nähe oder den Umgang mit jemandem als erstes und wichtigstes Element der Freundschaft an, auch wenn sie der Sympathie eine gewisse Bedeutung einräumen. Homans scheint hier – im Gegensatz zu vielen Sozialpsychologen –den Kindern Recht zu geben, dass der Charakter des Gegenüber nicht wichtiger als das Zusammensein mit dem anderen (vielleicht sogar unwichtig demgegenüber) ist. Er sagt: `Ein Anwachsen der Interaktion zwischen Personen geht mit einem Anwachsen freundschaftlicher Gefühle zwischen ihnen einher.´ Mit anderen Worten mögen wir die Leute, mit denen wir zusammen sind, weil wir mit ihnen zusammen sind und nicht, weil sie liebenswürdig sind. Er fährt fort: `Du kannst ziemlich schräge Vögel sympathisch finden, wenn du lange genug mit ihnen zusammen bist. Ihre Verschrobenheit wird irrelevant.´

Genau. Deshalb überlassen verantwortungsbewusste christliche Eltern die soziale Welt ihrer Kinder nicht dem Zufall. Unsere Gesellschaft ist derart verdorben (wir sind so „desensibilisiert“, dass wir es manchmal vergessen), dass wir unsere Kinder nicht einfach Fremden anvertrauen können, die zufällig daherkommen. Wie nie zuvor in Amerika steht heute einfach zu viel auf dem Spiel.

 

1 Der Fall “Roe gegen Wade” war ein Urteil des obersten amerikanischen Gerichtshofs, in dem entschieden wurde, dass Gesetze gegen die Abtreibung das verfassungsmäßig garantierte Recht der Privatsphäre verletzen würden. Damit wurden alle Landesgesetze, die die Abtreibung verboten oder einschränkten, aufgehoben.

2 Übersetzt: „Index (Aufstellung) der führenden, kulturellen Indikatoren (Anzeiger)“.

3 Übersetzt: „Erben-Stiftung“.

4 „SAT“ ist eine Abkürzung für “Scholastic Aptitude Test“. Das ist ein Test vor Eintritt in eine weiterführende amerikanische Schule, in dem herausgefunden werden soll, ob und für welche Schule der Bewerber geeignet ist. Im Jahre 1900 begonnen vermittelt eine gemeinnützige Organisation mit diesem Test heute Schüler an mehr als 3800 amerikanische Schulen, Colleges und Universitäten.

5 Bennett, William J.: Index of Leading Cultural Indicators. The Heritage Foundation. 1993.

6 Übersetzt: „Leben im Klassenraum und auf dem Spielplatz“.