Vorwort zur Auflage im Oktavformat1

Während bereits die vierte Auflage dieses Buches in Druck geht, ist der Fundamentalismus als Bewegung dabei, von seinem Vermächtnis abzufallen, indem er im breiten Fluss der Neo-Evangelikalen mitschwimmt. Wenn man den beschleunigten Abfall seit der ersten Veröffentlichung dieses Buches bedenkt, so kann nur eine gewaltige Erweckung von Gott den Untergang des Fundamentalismus aufhalten. Die Musik, die heute von den meisten Schulen kommt, die das Banner des Fundamentalismus tragen, bestätigen nur, was mein Vater schon vor etlichen Jahren gesagt hat: „Der Kampf gegen die Heutige Christliche Musik ist im fundamentalistischen Lager bereits verloren.“

In den letzten 40 Jahren waren wir Zeugen des öffentlichen Ablebens des echten christlichen Glaubens in Amerika. Jetzt erleben wir den öffentlichen Tod des historischen Fundamentalismus mit. Der mögliche öffentliche Untergang des historischen Fundamentalismus wird nicht nur das Ergebnis der heutigen Verkündigung sein, sondern auch aufs Konto der Musik gehen, die ins Lager der Neo-Evangelikalen übergewechselt ist.

Der Leser sollte begreifen, dass wir in der Zeit des letzten, beispiellosen Abfalls leben. Aus biblischer Sicht ist Abfall die endgültige Festlegung aufs Prinzip der Sünde, der letzte Außenposten der Gottlosigkeit und das Bindeglied zwischen der natürlichen, menschlichen Welt und der dämonischen Welt Satans. Abfall ist die dauerhafte Verbindung dieser beiden Welten. Dennoch muss wahrer Abfall natürlich auch etwas haben, wovon man abgefallen ist. Abfall sollten wir genauer als Desertion oder Wegbrechen vom einen wahren Glauben beschreiben. Die eine notwendige Zutat für den letzten, weltweiten Abfall ist die Globalisierung der Christenheit.

Während der letzten Jahrzehnte war in der amerikanischen Christenheit ein wachsender Trend zu beobachten, der als Übergang bekannt wurde. Die raffinierte, subtile Taktik des Übergangs ist nicht allein in unserer Generation, sondern vielfach an kritischen Wendepunkten während der Geschichte aufgetaucht. Der gegenwärtige Übergang wuchs sich zu einer subtilen, aber dennoch mächtigen Trendsuche aus, um das öffentliche Zeugnis wahren Christentums niederzureißen.

Der Ausdruck Übergang kann sehr vereinfachend als Brücke verstanden werden. In der heutigen Musikindustrie ist Übergang ein beliebter Ausdruck für den Wechsel in einen anderen Musikstil, normalerweise mit der Absicht, eine breitere Käuferschicht anzusprechen. Der Ausdruck gilt auch für den Wechsel in den Lehrinhalten, ebenfalls mit der Absicht, eine größere religiöse Zuhörerschaft zu gewinnen. Übergang bedeutet grundsätzlich, einen Kompromiss zwischen zwei unterschiedlichen Sichtweisen, Philosophien oder Eigenschaften einzugehen.

In den letzten Jahrzehnten ist in der Musik, als einem der kritischsten und sensibelsten Bereiche überhaupt, ein Übergang recht klar erkennbar geworden. Auch wenn der heutige Sound auf viel frühere Vorläufer zurückverfolgt werden kann, so fanden doch in der amerikanischen Gospel-Musik während der 1960er und 1970er Jahre viele Übergänge und Veränderungen statt. In diesen zwei Jahrzehnten wurde unser Land mit einer neuen Art von Christentum bombardiert, welches durch seine ansprechende Musik kommerziell gefördert und vertrieben wurde. In dieser marktgängigen Musik war die Weltlichkeit ein immer deutlicher hervortretender Wesenzug.

Der Übergangstrend ist eine mächtige Verlockung, insbesondere in unserer Generation. Weil wir uns als Fundamentalisten unter Druck setzen ließen, mehr Nachfolger zu gewinnen, größere Kirchengebäude zu bauen, unsere Vorlesungshallen zu füllen und bei der zahlenden Menge und den Medien mehr Anerkennung zu gewinnen, wuchs die schon immer existierende Versuchung, in unserem Lebensstil, unserer Art der Anbetung und auch unserem Musikstil die Seite zu wechseln. Natürlich war es auch schon immer sehr einfach, den Trendsettern in der Christenheit zu folgen oder die Unterstützung derer zu suchen, die was ihre Anbetungsform und die Anerkennung bei der Musikindustrie betrifft ihren Finger am Puls der Zeit haben. Das zu tun würde ganz sicher breitere Zuhörerschichten ansprechen. Manche mögen sagen: „Wir müssen ansprechender werden, wenn wir in den kommenden Zeiten überleben wollen.“ Es gibt schon seit jeher schnell zu Herzen gehende, trügerische Argumente, die einen zum Übergang verführen.

Die Versuchung für den gegenwärtigen Fundamentalismus ist nicht so sehr ein Übergang zur Welt oder selbst zum Liberalismus. Unsere Versuchung ist die Anziehungskraft des oder ein Wechsel zum neo-evangelikalen Lager. Schließlich waren die Mitglieder dieser Bewegung einmal unsere Brüder, wenn auch chaotische Brüder. Vor dem Bruch waren wir eins. Ihre Männer haben Gebäude gebaut, Geld zusammenbekommen und allseits akzeptierte Pop-Musik geschrieben. Sie stellen die anerkannte Hauptrichtung der evangelischen Christenheit Amerikas und der ganzen Welt dar. Ihre Hauptredner, wie z.B. Billy Graham, stehen hoch oben auf der Liste der am meisten bewunderten Menschen in Amerika. Warum sollten wir nicht wenigstens in einigen Dingen zu ihnen überwechseln und von diesen Trendsettern profitieren? Werden ihre Methoden nicht auch bei uns funktionieren?

Ja, die Versuchung ist real, die gleiche Musik wie sie zu schreiben, die Predigt genau wie sie genießbarer für die seelischen Menschen zu machen und genauso „Christus zu predigen“ ohne einen klaren Standpunkt zu vertreten. Wenn ein Einzelner oder eine Kirche/Gemeinde den Übergang einmal unternimmt, ist damit die Hemmschwelle herabgesetzt, es immer wieder zu tun. Die Ergebnisse überzeugen uns, dass das Ziel die Mittel rechtfertigt. Mit ein wenig sanfter Synkopierung hier und einigen sinnlichen Dissonanzen dort eingeworfen kann man ganz leicht den neuesten Hit landen. Wenn dann neo-evangelikale Radiosender unsere Ausführungen loben und – was weit wichtiger scheint – unsere Musik kaufen, dann sind wir zu einem modernen, christlichen Sound übergegangen. Zwangsläufig rufen unsere jungen Komponisten dann den Trendsettern zu, dass sie weitermachen und sie in Erstellung solcher übergelaufenen Sounds unterrichten sollen. Unsere Vernarrtheit mit diesen weltlichen Sounds und dem Erfolg wird so stark, dass wir Menschen außerhalb des christlichen Lagers anwerben, wenn wir diese Musik nicht selbst schreiben können, um uns Musik zu komponieren und aufzuführen. Sie mögen charismatisch sein oder aus sonst einer Richtung des christlichen Spektrums kommen, aber sie scheinen (wie wir dann anfangen zu glauben) talentiertere Komponisten und Musiker der Musik zu sein, die wir suchen. Schließlich beweist der Erfolg dieser neo-evangelikalen und charismatischen Komponisten doch, dass sie wissen, was den Leuten gefällt. Am Ende werden wir in ihren Augen schon eher akzeptiert sein, einfach nur, weil wir zu ihrem Musikstil übergegangen sind.

Langsam aber sicher wird die ganze Tragik des Übergangs offenbar. Indem wir versuchen in unserer Anbetung und Musik ihnen ähnlicher zu werden, verlieren wir unsere Identität als Gottes auserwähltes Volk in dieser Welt. Was uns unterschieden und in unserem wunderbaren Herrn stark gemacht hat ist dann verloren. Unsere Anbetung, Musik, Kleidung, Lebensart, als auch unser Versagen und unser Elend unterscheiden sich nicht mehr von denen, die wir insgeheim nachahmen und mit denen wir gehen wollen. Unsere Musiker spielen fortan wie sie, weil wir ihnen das so beigebracht haben. Unsere Sänger lassen denselben sanften, ätherischen Sound hören wie sie, weil wir sie so unterrichtet haben. Unsere Songschreiber komponieren mit denselben surrealistischen, modernen Akkorden, mit weitschweifigen, netten Melodien, die keine Kraft zur Überführung aufweisen, weil wir ihnen das so gezeigt haben. Schließlich wird der traurige Tag kommen, an dem die Unterscheidungslinie zwischen Fundamentalisten und Neo-Evangelikalen ausradiert ist. Dann wird der Übergang perfekt sein. Was wir Fundamentalisten als aufregend und innovativ, als komplette Neuheit ansahen, wird die Klinge sein, die unseren Nazarener-Schwur des Herzens und Lebens vor Gott wegschneidet. Warum? Weil uns die Trendsetter so angeleitet haben.

Ist das oben skizzierte Szenario unmöglich, möglich oder wahrscheinlich? Wird die Musik die Brücke für die Fundamentalisten zu den Neo-Evangelikalen werden? Wir müssen vor jedwedem gefährlichen Trend und Trendsetter auf der Hut sein, die in den Leib Christi eindringen. Einige werden versuchen das Volk Gottes zu überzeugen, dass sie sich über die Veränderungen keine Gedanken zu machen brauchen. Sie werden sagen, dass es für unsere Kirchen bzw. Gemeinden an der Zeit wäre, einen Zug frische Luft zu nehmen und Neuerungen einzuführen, selbst wenn wir dafür die Trennlinie übertreten müssten, die unsere Väter auf dem Kampffeld gezogen haben. Wir brauchen den Trendsettern und ihren Gedankengängen kein Gehör zu schenken. Unsere Kirchen bzw. Gemeinden benötigen keine Salonmusik oder eklektische2 Sounds, um den Gottesdienst „aufzupeppen“. Wir brauchen die synthetischen Heilmittel der Charismatiker nicht. Sollten wir nicht auf unsere Knie fallen und mit verzweifelten Herzen Gott um Erweckung zur Gerechtigkeit und eine Wiederherstellung der Gemeinschaft mit ihm anrufen? Solch eine authentische Bewegung von Gott her wird uns von der Grenze zur Welt und von ihrem Sound wegziehen und von der erwünschten Akzeptanz bei ihr befreien. Der Übergang zum neo-evangelikalen Lager ist nicht das, was wir brauchen. Dort werden wir nur Hoffnungslosigkeit vorfinden. Wir haben den Übergang über den Jordan nötig, wo es zum verheißenen Land der Geistlichkeit und Heiligkeit des Herzens geht (s. Hebräer 4).

Möge Gott uns vor dem Irrglauben retten, dass die Evangelikalen auf der anderen Seite fettere Weiden hätten als wir. Als Fundamentalisten haben wir ein edles Erbe angetreten. Wir sollten es nicht verlassen, sondern für eine Erweckung innerhalb unseres Gebiets beten.

 

Dr. H. T. Spence

10. Oktober 2002

1 Alte Bezeichnung für eine Buchhöhe von ca. 22,5 cm.

2 a) (Abwertend) in unschöpferischer Weise nur Ideen anderer (z. B. in einer Theorie) verwendend; b) aus bereits Vorhandenem auswählend u. übernehmend.