10. Eine biblische Perspektive der Kirchenmusikgeschichte

 

Beharrlich habe ich auf den HERRN geharrt, da neigte er sich zu mir und erhörte mein Schreien. Er zog mich aus der Grube des Verderbens, aus dem schmutzigen Schlamm, und stellte meine Füße auf einen Fels; er machte meine Schritte fest und gab mir ein neues Lied in meinen Mund, ein Lob für unseren Gott. Das werden viele sehen und sich fürchten und werden auf den HERRN vertrauen. (Psalm 40,2-4)

Das sind Worte, die man im 40. Psalm findet, gedichtet vom „lieblichen Sänger Israels“, von König David. Sie geben uns eine wunderbare Einsicht in die ergänzende Begleitung eines Liedes für das ganze Leben eines Christen. In diesem Abschnitt werden zwei Befreiungen beschrieben: 1. aus der „Grube des Verderbens“ bzw. dem Scheol (Totenreich) des Tumults bzw. tiefer Verzweiflung; und 2. aus dem „schmutzigen Schlamm“ bzw. dem schlammigen Morast bzw. unserer irdischen Natur. Diese Befreiungen werden vom Gründen der Füße auf einen stabilen Felsen, nämlich Christus, und dem Befestigen unseres „Wandels“ begleitet. Das Leben ist nicht nur verändert, ja umgewandelt worden, sondern dem Glaubenden ist auch ein „neues Lied“ gegeben worden. Die heutigen Komponisten haben diesen Ausdruck im Sinne des Neo-Liberalismus gedeutet, um von den „alten“, traditionellen Hymnen wegzukommen. Dieses „neue Lied“ steht als Komposition aber gegenüber dem „alten Lied“ unseres alten Lebens. Es ist „ein Lob für unseren Gott“. Dieses Lied ist ein ganzes komponiertes Leben eines Gläubigen, der die Gnaden Christi erfahrenen hat, es ist eine Hymne, die zu einem Segen für andere wird.

 

1. Das neue Lied

Die Bibel berichtet oftmals von einem neuen Lied. so stellt uns das Hohelied Salomos z.B. ein von leidenschaftlicher Liebe entflammtes Herz vor. Jesaja 54,1 beginnt mit den Worten: „Freue dich, du Unfruchtbare, die du nicht geboren hast! Brich in Jubel aus und jauchze, die du nicht in Wehen lagst!“ und wird damit zum Nachspiel des großen Erlösungskapitel davor (Kap. 53). Was ein geisterfüllter Christ tut, wird in Epheser 5,19 so beschrieben: „Redet zueinander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern; singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen; …“. Das ist das reichlich im Herzen eines Glaubenden wohnende Wort Gottes, das in Liedern erklingt (Kolosser 3). Offenbarung 5 spricht vom neuen Lied, das gesungen wird, wenn Christus nach der Entrückung das Buch mit sieben Siegeln aus der Hand des Vaters nimmt. Wir lesen von den 144.00 aus allen Stämmen Israels stammenden Versiegelten, die auf Erden singen, und vom „Lied Moses“, das die Bewohner des Himmels singen, nachdem das Tier besiegt wurde. Es scheint so, als wenn Gott seinen Kindern ganz besonders die Musik gegeben hätte, um ihre tiefsten Empfindungen im christlichen Wandel mit dem Erlöser auszudrücken.

 

2. Die Psalmen

Der Psalter ist das Hymnenbuch des Alten Testaments. Die Juden nennen es „Sepher Tehillim“, was so viel wie „Buch des Lobpreises“ bedeutet. In einer ganzen Anzahl dieser Psalmen wird das Wort „Lobpreis“ zum Schlüsselwort. Sie enthalten göttlich inspirierte „Ausbrüche“ von Danksagung (das Wort „Shiggaion“ in der Überschrift von Psalm 7 enthält z.B. diese Assoziation). Das Buch der Psalmen beginnt mit einer Segnung („Wohl dem, …“, Psalm 1) und schließt mit Anbetung und Ehrung Gottes (Psalm 150).

Die Bezeichnung für das Buch der Psalmen kommt vom griechischen Wort „Psalmoi“, was „Lobpreis“ bedeutet. Sie sind eben die Psalmen bzw. der Psalter. Dieses Buch enthält auch „mictams“, also Gebete (z.B. Psalm 16), „maschils“, was „Unterweisungen“ bedeutet (z.B. Psalm 32) und „shiggaion“, was für „begeisterter Lobpreis“ steht (wie z.B. in Psalm 7). Das alles sind Lobpreisungen für Jahwe in Form von Gebeten, unterweisende Oden an andere und begeistertem Lobpreis. 73 Psalmen werden David zugeschrieben, 12 Asaph, 12 weitere „den Söhnen Korahs“, zwei Salomo, einer Heman, ein weiterer dem Ethan, einer Mose und 84 sind anonym. (Die Septuaginta weist einige von diesen Jesaja, Jeremia, Haggai und Sacharja zu). Insgesamt 116 von ihnen haben in der Protestantischen Bibel Überschriften oder Einführungsworte.

Der Psalter wurde sowohl zum Gebets-, als auch zum Hymnenbuch der Juden. Weiterhin diente dieses Buch als Inspiration des geistlichen Lebens in der privaten und öffentlichen Anbetung. Hanna (1. Samuel 1-2) und Maria (Lukas 1) zitieren aus diesem kostbaren Buch, um ihre eigenen Lobpreisungen Gott gegenüber anzureichern, weil er ihnen ein Kind geschenkt hatte. Jona zog im Bauch des Fisches etwas für seine Gebete aus diesem Buch. Die Musik war etwas ganz Wichtiges für das jüdische Leben und ihre Anbetung. Sowohl Tempelanbetung, als auch Pilgerlieder, Umzüge, nationale Chorgesänge, Festspiele und private Lieder können in den musikalischen Hallen der Psalmen wieder gefunden werden. John Calvin, der Reformator und Theologe, sagte, dass „der Heilige Geist hier alle Sorgen, Tränen, Probleme, Hoffnungen, Zweifel, Ratlosigkeit und alle stürmischen Ausbrüche, welche am Herz des Menschen zerren, darstellt.“ Er nannte dieses Buch auch „Die Große Analyse der Seele“. Am Ende seines Lebens war er zu dem Schluss gekommen, dass jeder Lebensumstand, jedes Ereignis, jede Freude und Krise von der Wiege bis zur Bahre in diesem einen Buch zu finden sei.

Die Evangelien erwähnen nur zweimal Gesang (einige Ausleger deuten an, dass das „Sprechen“ der Engel in Lukas 2 Gesang gewesen wäre, aber das ist nicht klar ersichtlich). Beim triumphalen Einzug Christi in Jerusalem kommt es das erste Mal vor. Er wurde mit der Hosianna-Hymne von Psalm 118 als Messias ausgerufen. Die zweite Gelegenheit, bei der wir Gesang vorfinden, war in der Nacht, in der Christus und seine Jünger den Oberen Saal (Abendmahlsraum) verließen. Dabei sangen sie eine Hymne. Es wird uns nicht weitergegeben, was genau sie gesungen haben, aber die Hymnen zum Passah sind traditionell aus den großen „Hallel“-Psalmen. Aus diesen beiden Begebenheiten (und traditionellen Untermauerungen) wissen wir, der Psalter das Hymnenbuch Christi und seiner Jünger war.

  

3. Eine neutestamentliche Ausschmückung des frühen Kirchenliederbuches

Im Neuen Testament erwähnt Paulus die Psalmen in den Briefen an die Korinther, Epheser und Kolosser. Auch Jakobus spricht in seinem Brief von ihnen. Durch diese vier Erwähnungen ist es offensichtlich, dass die neutestamentliche Gemeinde die Psalmen für Lobpreis, Anbetung und Unterweisung nutzte. Um 100 nach Christi herum wurden dem Repertoire der Kirche/Gemeinde weitere Hymnen hinzugefügt: das Gloria (Lukas 2,14), das Nunc Dimittis1 (Lukas 2,29), das Magnificat des Zacharias (Lukas 1,68) und verschiedene Passagen aus dem Buch der Offenbarung. Diese und andere Abschnitte waren neutestamentliche Schriftstellen, die in der ursprünglichen Sprache eine offensichtlich poetisch-metrische Struktur hatten. Sie wurden gesetzt und Teil des frühen, neutestamentlichen Kirchenliederbuchs.

  

4. Die Erweiterung des frühen Hymnengesangs

Gegen Ende des vierten Jahrhunderts war Augustinus zunächst von den Melodien fasziniert und übersah den Text (ohne Zweifel aufgrund seines früheren Lebensstils). Schließlich ließ der den frühen Hymnengesang zugunsten des einfachen, faden, „reinen Tons“ fallen. Augustinus führte auch den Endreim von musikalischen Phrasen ein (in Latein), der in unserer heutigen Musik noch beliebter geworden ist. Ambrosius setzte das Kirchenlied ein, während Gregor I. (590 n. Chr.) später seinen liturgischen Standpunkt hinzufügte, der dem Text mehr Gewicht verlieh als der Melodie. Die Musikformen der ersten Jahrhunderte trugen ihren Teil zur theologischen Verschiebung der Sicht Gottes bei. (Interessanterweise kehren die alten ambrosianischen und gregorianischen Gesänge in die heutigen weltlichen Musikaufnahmen zurück, um den Transzendentalismus der New Age Bewegung zu fördern.) Die in den großen Kirchen und Klöstern vorgetragenen Kirchengesänge brachten einen ätherischen Klang hervor, der eine geistlich verdrehte, mentale Sicht der Transzendenz Gottes verursachte. Die Menschen wurden psychologisch manipuliert zu glauben, dass sie selbst beim Beten weit von Gott weg wären. Diesen Höreffekt nutzte u. a. später die Römisch Katholischen Kirche, um Kontrolle über die Gemeindemitglieder auszuüben, indem sie eine unermessliche Kluft zwischen Gott und den Menschen lehrte, die angeblich nur vom Klerus der Kirche und ihren Priestern überbrückt werden könne.

Von dieser Zeit der Kirchengeschichte an wurde die Musik mehr und mehr zum Monopol des Klerus. Insbesondere vom Bistum Gregors I. im Jahre 590 n. Chr. an waren die Leute von der Teilnahme am Gesang während des Kirchengottesdienstes komplett ausgeschlossen. Die römische Theologie der Anbetung bestimmte, dass alles Wichtige für die Versammlung vom Priester erledigt werden sollte. Wenn man es ganz genau nimmt, hätten die Menschen nicht einmal anwesend sein müssen. Das biblisch verbriefte Recht der Menschen auf direkte Beteiligung an der Kirchenmusik bzw. an jeder Form der Anbetung sollte bis zur Protestantischen Reformation nicht wieder hergestellt werden. Doch wir sollten auch beachten, dass es inmitten des dunklen römisch-katholischen Zeitalters Orte in Europa gab, wo die Stimme des Gesangs in verschiedenen Klöstern und wahrscheinlich nur kleineren Gruppen von Gottes wahrhaftem Überrest erschallte. Neben diesen zerstreuten, isolierten Versammlungen gab es nirgendwo das Privileg des „neuen Liedes“. Es bedurfte schon der Reformation im Herzen Europas (insbesondere in Deutschland, England und der Schweiz), um eine frische Sicht der Musik in die Herzen und Sinne der anbetenden Leute zu bringen.

 

5. Die Protestantische Reformation und ihr Beitrag zur Kirchenmusik

Entgegen dem priesterlichen Rückfall des römischen Katholizismus glaubte Martin Luther (1483-1546) an das allgemeine Priestertum aller Gläubigen. Er verkündete der ganzen Welt, dass jede Seele durch den Glauben an Jesus Christus direkten Zugang zu Gott hätte und dass alle, die ihren Glauben in Christus setzen würden, das Recht hätten, ihre eigenen Gebete und ihren eigenen Lobpreis ohne priesterliche Vermittlung vor Gott bringen zu können. Bevor Luther aufgrund der großen Güte Gottes kam, hatten bereits einige Vorreformatoren versucht, diese „Note“ der Wahrheit erklingen zu lassen. In England waren die Lollards (unter anderem auch „Sanfte Sänger“ genannt) für ihren klagenden Gesang bekannt. Auch in Finnland, Böhmen und selbst in Deutschland gab es bereits einzelne Versuche. Diese göttlich beauftragten Vorboten halfen, den Weg für Männer wie Luther zu ebnen.

Als Luther erschien, gab es unter den Reformatoren verschiedene Ansichten darüber, wie man die Musik in der Liturgie verändern sollte. Etliche dieser Sichtweisen müssen wir sorgfältig unter die Lupe nehmen, weil sie den Gedankenfluss bestimmten, der von der Reformation ausging.

 

6. Zwei grundsätzliche Herangehensweisen der Reformationsmusik

Es gab zwei grundsätzliche Ansätze der Reformatoren über den angemessenen Gebrauch von Musik in der Anbetung. Leute wie Luther meinten, dass nicht alle Musik grundsätzlich schlecht sei, aber dass sie von ihren „Verunreinigungen gereinigt“ werden müsse. Die zweite Sichtweise wurde von Karlstadt2, Bucer3, Zwingli4, Bullinger, Calvin und Farel5 vertreten. Sie folgten den Vorgaben Augustins, der glaubte, dass ihre damalige Kirchenmusik in Gottes Augen eine anstößige Praxis war (darauf werden wir später näher eingehen).

6. 1 Martin Luthers Sicht der Kirchenmusik

Luther ging von dem Standpunkt an die Kirchenmusik heran, was er glaubte in den Psalmen selbst erkennen zu können. „Es ist meine Absicht, deutsche Psalmen für die Leute zu schreiben, das heißt, geistliche Lieder, wodurch das Wort Gottes durch Gesang unter ihnen lebendig erhalten werden möge“, sagte er. Luther ist in der Kirchengeschichte als der „Vater des Protestantischen Hymnengesangs“ bekannt. Verschiedene Prinzipien zeigen Luthers Herangehensweise an Kirchenmusik:

  1. Er zeigte eine bewundernswerte Unterscheidungsfähigkeit in seiner Beurteilung von zeitgenössischen Komponisten. Konsequent setzte er einen Standard korrekter musikalischer Beurteilung unter seinen „lutherischen“ Brüdern durch.

  2. Er definierte Musik deutlich als Kunstform. Damit sie angemessen genossen werden kann, müsse sie studiert statt lediglich konsumiert werden.

  3. Er verlangte von den Pastoren, die ihm folgten, dass sie Gesang studierten und machte Musikverstand zur Voraussetzung einer Ordination.

  4. In allen protestantischen Schulen, die er aufbaute, machte er Musik zu einem Pflichtfach.

  5. Trotz großen Widerstands von denen, die Augustinus Beispiel folgten und Musik im Heiligtum unmoralisch nannten, nahm Luther ein großes Repertoire an Kirchenmusik in den Gottesdienst auf.

  6. Er sprach oft und feurig über die Notwendigkeit guter, qualitativ hochwertiger Kirchenmusik.

  7. Er spielte niemals die Rolle des Organisten oder des Chors in der Kirchenmusik herunter, wie andere das taten, auch wenn Luther die Rolle der Versammlung (Gemeinde) sehr betonte.

  8. Bei Luther muss – wiederum im Gegensatz zu anderen Reformatoren – beachtet werden, dass er das Recht der Musiker auf angemessene und sichere Entlohnung aus dem Kirchensäckel betonte.

Das bekannteste Kirchenlied Luthers ist „Ein feste Burg ist unser Gott“, das 1529 als Ergebnis des Reichstags zu Speyer geschrieben wurde. Seit diesem Reichstag wurden die Luther unterstützenden Menschen „Protestanten“ genannt. Luther sang dieses Lied oft. 1530 wurde es zum Lieblingslied der Deutschen. Der erste Vers dieser großartigen Reformationshymne wurde auf Luthers Grabstein in Wittenberg (Deutschland) eingemeißelt. Die folgende Anekdote zeigt Luthers Vorliebe für dieses Lied: Als Luther eines Tages mit seinen Freunden unterwegs war, ermattete er. Als er dann wieder zu Kräften kam, sage er: „Kommt, lasst uns dem Teufel widerstehen und Gott loben, indem wir das Lied singen.“ Im Gegensatz zur Stärke dieses Liedes wird Luthers Sanftheit im christlichen Lied „Vom Himmel hoch“ offenbar, das er für seinen fünfjährigen Sohn Hans schrieb.

Luther sah aber auch, dass die Lieder ohne passende Begleitmusik nicht vorankommen würden. Auch wenn Luther musikalisch war, so wollte er doch die Protestantische Musik nicht an sich reißen, sondern hielt Ausschau nach einem talentierteren Mann, der die Fackel aufnehmen konnte. Er war es auch, der zuerst die Notwendigkeit protestantischer Anbetungsmusik erfasste. Seine Melodien entstanden während mehrerer Wochen, die er in Wittenberg mit zwei Freunden zubrachte, in denen sie mit verschiedenen Melodien experimentierten. Die Melodie zu „Ein feste Burg …“ setzt sich aus verschiedenen, entlehnten Melodieteilen zusammen. Er nahm auch eine Anzahl römisch-katholischer Hymnen, reinigte sie von ihrem katholischen Hintergrund und verleibte sie seinem Liederbuch ein. Dazu sagte er:

„(In diesem Liederbuch) haben wir gute musikalische Sätze oder Lieder ausgewählt, die im Papsttum bei Nachtwachen und Beerdigungen benutzt werden. Einige von ihnen haben wir in diesem kleinen Buch abgedruckt und beabsichtigen, in Zukunft noch mehr von ihnen auszuwählen oder durch diejenigen auswählen zu lassen, die fähiger dazu sind als wir. Wir haben aber andere Texte für diese Sätze genommen, um unser Bekenntnis zur Auferstehung zu ehren und uns nicht zum Fegefeuer mit seinen Qualen und seiner Erfüllung zu bekennen, durch welches ihre Toten weder schlafen noch ausruhen können. Die Lieder und Noten sind kostbar, es wäre eine Schande und ein Verlust, wenn sie verloren gehen sollten, aber die Texte und Abteile sind unchristlich, unpassend und lächerlich, sie sollten in Vergessenheit geraten. Auf dieselbe Art und Weise überflügeln sie uns in allen anderen Belangen: sie haben die schönsten Gottesdienste, wunderschön strahlende Kathedralen und Klöster, wohingegen die Predigten und das Lehren, das in diesen stattfindet, zum großen Teil dem Teufel dienen und Gott lästern.“

So komponierte Martin Luther also nicht nur neue Lieder, sondern nahm auch etliche katholische Hymnen und reformierte sie. Selbst Bibelstellen wurden in Lieder umgewandelt. Er schätzte auch die barocke Kontrapunktik sehr und sagte darüber: „Wenn schon natürliche Musik durch Kunst auf Hochglanz poliert werden kann, dann erkennt man mit Erstaunen die große und vollkommene Weisheit Gottes in seinem großartigen Werk durch die Musik, in der eine Stimme eine einfache Melodie spielt, während drei, vier oder fünf andere darum herum hüpfen und springen und dadurch die einfache Stimme wunderbar schmücken.“ Die Jesuiten, eine Vatikan-Organisation zur Gegenreformation, sagten über seine Musik: „Die Lieder Luthers haben mehr Seelen getötet, als seine Predigten.“

6.2 Andere Reformatoren und ihre Sicht von Musik

6.2.1 Karlstadt

Es gab aber noch andere leitende Personen in der Reformation, die einen anderen Standpunkt zur Kirchenmusik vertraten. Einer von ihnen war Karlstadt, ein Zeitgenosse von Luther. Er wurde bekannt, als Luther auf der Wartburg lebte (vom Mai 1521 bis März 1522). Karlstadt zerstörte im gesamten Landstrich alle Heiligenbilder, Altäre, Orgeln, Trompeten und Flöten. Er kommentierte das so:

„Besser ein Herz sehnt sich nach Gebet, als tausend Psalm-Kantaten zu singen. Die lüsternen Noten der Orgel erwecken weltliche Gedanken. Während wir über das Leiden Christi nachdenken sollten, werden wir an Pyramus und Thisbe6 erinnert. Wenn es aber schon Gesang sein muss, dann nur ein Solo.“

6.2.2 Zwingli

Zwingli war ein weiterer Reformator, der einen spürbaren Einfluss auf die Schweiz hatte. In Bezug auf Musik nahm Zwingli eine eher platonische Sicht ein, die physische Freude mit dem Bösen gleichsetzte. Luther dagegen hielt es mit der hebräischen Sichtweise, welche die Quelle des Bösen im menschlichen Herzen suchte, d. h. in seiner geistlichen und nicht in seiner physischen Natur. Deshalb konnte ein erlöstes Herz mit Recht die göttliche Gabe der Musik ohne Sünde genießen.

6.2.3 John Calvin und die reformierte Sicht von Musik

Der 1509 geborene Franzose John Calvin war ein Reformator der zweiten Generation. Seine Glaubenslehre deckte sich nicht mit Luthers Lehre von der Rechtfertigung durch Glauben, sondern betonte die Souveränität Gottes und Verdorbenheit des Menschen. In seiner Lehre schlussfolgerte er über die Musik: „Nur von Gott direkt inspirierte Musik ist es wert, in der Kirche gesungen zu werden.“ In seinem Kommentar zu 1. Samuel 18 behauptet Calvin:

„Es wäre eine zu lächerliche und unbeholfene Imitation des Papsttums, wenn wir die Kirchen schmücken und dabei glauben würden, dass man Gott einen ehrenhafteren Dienst erweist, indem man Orgeln benutzt. Nötig ist allein ein schlichter und reiner Gesang des göttlichen Lobes, der aus dem Herzen in den Mund und über die ordinären Lippen kommt …. In der Zeit des Gesetzes wurde Instrumentalmusik geduldet, weil die Menschen damals noch in den Kinderschuhen steckten.“

In seinem Kommentar zu Psalm 92 sagte er:

„Im vierten Vers spricht er (der Psalmist) eher direkt die Leviten an, denen das Amt des Gesangs übertragen worden war, und gebietet ihnen, ihre Musikinstrumente zu benutzen, nicht weil das in sich selbst schon sinnvoll wäre, sondern weil es als elementare Hilfe für das Volk Gottes in diesen frühen Zeiten diente. … Nachdem Christus jetzt aufgetreten und die Kirche erwachsen geworden ist, würden wir nur das Licht des Evangeliums begraben, wenn wir wiederum die Schatten eines vergangenen Zeitalters aufleben lassen würden. Daher scheint mir, wenn die Papisten Musikinstrumente benutzen, dass man nicht sagen kann, dass sie damit die Praxis von Gottes antikem Volk imitieren, sondern sie ‚äffen’ es in einer sinnlosen und absurden Art und Weise nach. Sie stellen damit eine alberne Vernarrtheit am Lobpreis des Alten Testaments zur Schau, der bildlich gemeint war und mit dem Erscheinen des Evangeliums beendet ist.“

Den Psalm 71 kommentiert Calvin u. a. so:

„Als Paulus in 1. Korinther 14,13 es zum ehernen Gesetz machte, dass wir Gott nur in einer verstehbaren Sprache preisen und anbeten sollen, wurden Musikinstrumente durch einen klaren Befehl des Heiligen Geistes aus den Kirchen verbannt.“

Wegen Calvins einmaliger Sicht von Verdorbenheit glaubte er, dass der Heilige Geist Menschen heute nicht mehr im Lobpreis Gottes inspirieren würde. Deshalb setzte er auf die „me­trischen Hymnen“, womit er eine noch ältere Tradition wieder aufgriff, die auf die primitive Zeit zurückgeht, als die Kirche nur die Psalmen als Lieder nutzte. In diesem Punkt stimmte er mit Augustinus überein, dass nichts wert wäre für Gott gesungen zu werden, als nur das, was direkt von Gott empfangen worden sei. Als er wieder auf die Psalmen zurückkam, sah er zwei Notwendigkeiten: 1. sie mussten in Versmaße gesetzt und 2. sie mussten mit attraktiven und passenden Klängen versehen werden.

Calvin fing also an, diese beiden Erfordernisse beim Wiedererstehenlassen der Psalmen anzuwenden. Trotz all seiner Begabungen war er dennoch kein Dichter, sondern nutzte die natürlichen Fähigkeiten von Clement Marot. Dessen „50 Psalmen“ wurden 1543 in Genf herausgegeben und Beza fügte die noch fehlenden hinzu. Bei den Klängen ließ sich Calvin von vielen ausdrucksstarken deutschen Melodien beeinflussen. Schließlich fand er aber einen Musiker aus Paris, Louis Bourgeois, den er anwies, die Musik für den neuen Psalter zu schreiben. Calvins Anweisungen waren: „Es sollte einfach, würdig und majestätisch sein, dem Inhalt angemessen und so aufbereitet, dass man es in der Kirche singen kann.“ Bourgeois organisierte auch Musikunterricht für Kinder und Schüler in den reformierten Kirchen, wobei er hoffte, dadurch auch die älteren Mitglieder der Versammlung beeinflussen und unterrichten zu können. Aus der Feder Bourgeois flossen kostbare Melodien. Sein Ansatz war dem von Luther ähnlich: er übernahm bereits existierende Klänge. Aus Sicht der Reformatoren sollte es eine einfache, einzelne Melodie zum Singen sein. Am Anfang dieses Exodus aus Rom sangen die Genfer (und die reformierten Kirchenmitglieder in den verschiedenen Ländern) mit begeistertem Herzen. Leute kamen aus ganz Europa, nur um die Genfer singen, ja sogar Psalmen singen zu hören.

Der Leser sollte beachten, dass der Gesang zum Kennzeichen derer wurde, die an der Reformation festhielten, egal welcher Musikrichtung jede protestantische Gruppe auch anhing. Deutschland bekam seine kraftvollen Hymnen aus der Feder Luthers und seiner Anhänger, die Hugenotten in Frankreich waren auch wegen ihres Gesangs bekannt und die metrischen Psalmen fanden sich in der Schweiz, in England, Schottland, Wales usw. Luther hatte die Hoffnung, dass selbst in der Musik einiges aus Roms Vergangenheit gerettet, gereinigt und reformiert werden könne. Calvin aber sah keinen Sinn darin, irgendetwas von Rom zu reinigen, auch nicht in der Musik oder bei den Instrumenten. Wir bevorzugen vielleicht die eine Sicht und verwerfen die andere, aber beide konnten ihre Ansichten begründen und glaubten, dass sie biblisch seien. Vielleicht war es das Wirken Gottes, um so die Reformation im Bereich der Musik zu läutern und auszubalancieren.

 

7. Englische Hymnendichtung

7.1 Thomas Sternold

Wenn wir einen Abstecher zur Geschichte der reformatorischen Musik in England machen, bemerken wir Thomas Sternold (1500-1549). Er war Geheimrat König Heinrich VIII. Weil er es nicht mehr ertragen konnte, die weltlichen Lieder seiner Mithöflinge und der einfachen Leute zu hören, fing Sternold an, die Psalmen in einer englischen Metrikform aufzuschreiben. Sie wurden zu wohlbekannten Melodien gesungen. Eines Tages, als er gerade die Orgel in der Kirche spielte, stahl sich ein junger Kerl in die Kirchenräume und hörte ihm zu (dieser Junge wurde später als König Edward VI. gekrönt). Der junge Mann bat Sternold, diese Klänge zu einem Psalter zusammenzufassen, was dieser dann auch tat. Bis zu seinem Tod hatte er 37 davon zusammengetragen. Später vervollständigte John Hopkins diesen Psalter.

Die in dieser Zeit stattfindenden Umwälzungen in Englands Kirchenmusik müssen im Licht der englischen Geschichte verstanden werden. Heinrich VIII. hatte das Land von Rom weggeführt (aus finanziellen und Heiratsgründen), sich selbst dann aber mit dem “Act of Supremacy and Succession“ (= „Gesetz über Souveränität und Erbfolge“) zum Oberhaupt der Kirche Englands eingesetzt. Seine Tochter Elisabeth I. bestätigte später die Oberherrschaft der Monarchie über die Kirche mit ihrem eigenen Gesetz, das auch die Einsetzung der Priester durchs Parlament einführte. Elisabeth war die Letzte der Tudors, die keinen bekannten Erben mehr hervorbrachte. Deshalb wurde James VI. von Schottland, dessen Urgroßmutter Margaret Tudor war, nach Elisabeths Tod zum König von England gekrönt (1603 wurde er James I. von England). Er bekämpfte alles und jeden, der sich gegen den “Act of Supremacy“ stellte. Das tat er nicht nur in seiner Funktion als Oberhaupt des Staates, sondern auch gegenüber der Kirche Englands. Er vertrat den Standpunkt, dass der Glaube an „religiöse Freiheit“ oder „religiöse Toleranz“ seine politische Autorität in Frage stellen würde. Während seiner Regentschaft wuchs die puritanische Bewegung stark an, wobei viele Puritaner von 1617 bis 1649 nach Amerika emigrierten.

Die puritanische Bewegung bestand aus verschiedenen Unterabteilungen: mit einer Gemeindeleitung innerhalb der Kirche, einer presbyterianischen Kirchenleitung und die Position der Separatisten. Was die Musik anbetrifft, so glaubten die Puritaner fest, dass das Singen von Psalmen die heiligste Handlung öffentlicher Anbetung sei.

7.2 Richard Baxter

Parallel zur etablierten Hymnendichtung entwickelte sich im 17. Jahrhundert die Hymnenbewegung in den reformierten Kirchen. Ein bekannter Liederdichter Deutschland zu dieser Zeit war z.B. Paul Gerhardt. Unter den ersten britischen Hymnenschreibern waren Richard Baxter und John Mason (der so etwa 40 Lieder schrieb). Baxter war fest davon überzeugt, dass die Lieder in der Kirche gesungen werden sollten, weil das besser zur Evangeliumsverkündigung passen würde. Er wurde unter der Herrschaft James I. geboren und war Zeuge des langen Freiheitskampfes zwischen Parlament und König. Er erlebte noch die Herrschaft von Charles I. (der enthauptet wurde), Cromwells, Charles II., James. II. und Williams und Marys. Er war Konformist (passte sich stark den gesellschaftlichen Gegebenheiten seiner Zeit an), sympathisierte aber mit der Bewegung der Non-Konformisten.

7.3 Isaac Watts

Der nächste große Mann mit Einfluss war Isaac Watts, der als „Vater der englischen Hymnendichtung“ in die Geschichte einging. Er lebte von 1674 bis 1748 und war der älteste von acht Kindern. Trotz seines gebrechlichen Körpers besaß er einen starken Willen und unerschrockenen Geist. Er kam zufällig dazu, Lieder zu dichten (jedenfalls scheint das heute so zu sein, dahinter steht aber das Wirken Gottes). Eines Abends beschwerte er sich in der Kirche bei seinem Vater über den armseligen Text des Psalmliedes. Sein Vater forderte ihn heraus, doch einen besseren Vers zu schreiben, wenn er der Meinung sei, es zu können. Im Laufe des folgenden Sonntags hatte Isaac das Lied “Behold the Glories of the Lamb“ (= „Siehe, die Herrlichkeit des Lammes“) geschrieben, was die Versammlung im nächsten Gottesdienst sang. Er schrieb mehr als 200 Lieder und wurde schließlich Pastor der Mark Lane Kirche in London, wo er von mehr als 46 Jahre wirkte.

Um Isaac Watts besser schätzen zu können, müssen wir den Zustand der Psalmendichtung im 17. Jahrhundert verstehen. Das brennende Herz der Reformatoren aus der ersten Generation war verschwunden. Gleichgültigkeit und Lustlosigkeit gehörten jetzt grundsätzlich zum Alltag der reformierten Kirchen. Die alttestamentarischen Psalmen wurden nicht mehr vom Neuen Testament her verstanden. Watts drückte das so aus: „David muss wieder in einen Christen verwandelt werden“; denn die Kirchen sahen die Psalmen nur noch in einem alttestamentarischen Zusammenhang. 1719 veröffentlichte Watts die “Psalms of David imitated in New Testament language“ (= „In eine neutestamentliche Sprache überführte Psalmen Davids”). und die “Hymns and Spiritual Songs“ (= „Hymnen und geistlichen Lieder“). Er hatte den Anspruch, den königlichen Autor David in den Alltag des christlichen Lebens zu bringen und „Den Psalmisten Israels in die Kirche Christi“ einzuführen. Watts dichtete Umschreibungen der Psalmen im Licht Christi und des Neuen Testaments. Seine Bemühungen um beginnende Umwälzungen in den reformierten und Freikirchen, um von den kalten, toten Psalmen wegzukommen, waren sehr wichtig und weise. Ende des 17. Jahrhunderts waren die Gesänge in den meisten Kirchen erkaltetet, weil die Leute die Psalmen ohne Christus auffassten. Watts durchbrach die alleinige Deutung der Psalmen als „Verurteilung“ oder „Verdammung“. Stattdessen wandte er die Botschaft des Evangeliums auf die Psalmen an und stellte sie wieder in den Kontext der Anbetung.

 

8. Die Sehnsucht nach Vollkommenheit in Europa

Im 18. Jahrhundert schenkte Gott die evangelikalen Erweckungen und die Großen Erweckungen über ganz England und Amerika. Vorher war eine Zeit großer Ausschweifungen, Kälte und Sterilität in der Religion. Es gab jedoch eine größer werdende Zahl von Gegenden in Europa, die sich nach Vollkommenheit und Ehrbarkeit sehnten. Amerika baute gerade sein neu erstandenes Land auf, während die europäische Zivilisation (bereits seit hunderten von Jahren gegründet) zu vervollkommnen suchte, was sie bereits hatte. Als das Jahr 1700 kam, zerfielen die Regeln und Traditionen der Gesellschaft mehr und mehr, und es musste etwas unternommen werden. Die folgenden 50 Jahre (1700-1750), die auf das Barock-Zeitalter folgten, werden in der Musikgeschichte Vorklassik bzw. Rokoko-Zeitalter genannt. Die Klassik brach hervor – mit einer Sehnsucht nach Vervollkommnung von Gesetzen und Regeln zu einer nie gekannten Vollendung. Das sehen wir in Architektur, Drama, Literatur und auch in der Musik. Es gab ein großes Verlangen nach perfekter Form und Ausgeglichenheit (z.B. wünschten sie sich eine schön geformte Vase für ein einfaches Blumenbouquet, um es vollkommen erscheinen zu lassen). Das „Drumherum“ der Kunstformen wurde sehr wichtig genommen und selbst in der Musik suchten die Leute nach perfekter Form und Harmonie. Unter etlichen Komponisten dieses Zeitalters (der Vorklassik) gab es zwei geradezu klassische Beispiele: Georg Friedrich Händel und Johann Sebastian Bach. Beide wurden 1685 geboren. Sie trafen sich persönlich nie, waren aber die berühmtesten Organisten ihrer Tage und höchstwahrscheinlich zwei der größten Komponisten aller Zeiten. Diese beiden Männer wandten alle musikalischen Regeln an, die Komponisten vor ihnen in den vorhergehenden Jahren herausgefunden hatten, und führten sie zur Perfektion.

8.1 Händel und Bach

Interessanterweise kam Händel aus einem kirchlichen, aber gläubigen Hintergrund, während Bach Lutheraner war. Wegen Händels theologischem Hintergrund und den musikalischen Geflogenheiten der Kirche, aus denen er kam, wurde seine Musik niemals in einem Kirchengebäude seiner Zeit gespielt oder aufgeführt. Alle Oratorien Händels wurden in Theatern oder an Orten aufgeführt, die wir als weltlich bezeichnen würden. Sein kirchlicher Hintergrund hätte niemals erlaubt, dass solch polyphone Musik in einer Kirche gespielt oder gar genossen worden wäre. Selbst sein „Messias“ (1741) wurde am 13. April 1742 zunächst in Dublin (Irland) aufgeführt, um Geld für eine wohltätige Organisation aufzubringen. Dieses Meisterwerk schrieb er in weniger als 30 Tagen (über die exakte Länge gibt es unterschiedliche Meinungen). Dabei benutzte er die prophetischen Bibelabschnitte über das Kommen des Messias, die ihm vorher von einem gewissen Pastor Jennings gegeben worden waren. Bei der Uraufführung war die Menschenmenge so riesig, dass Damen gebeten wurden, ohne ihre weiten Rockreifen zu kommen, und die Herren wurden ersucht, ihren Degen zu Hause zu lassen. Einige Jahre danach war König Georg II. bei einer Aufführung des „Messias“ in England zugegen. Man sagt von ihm, dass er als Zeichen seiner Anerkennung aufstand, als der große „Halleluja“-Chor anfing zu singen, und dass er die ganze Zeit stehen blieb. Das wurde zu einem Brauch, der sich bis in unsere Zeit allgemein gehalten hat. Bis an sein Lebensende wurden Händels Werke niemals in einem Kirchenheiligtum aufgeführt.

Auf der anderen Seite sorgte allein schon Bachs kirchlicher Hintergrund als Lutheraner dafür, dass seine Musik für Kirchen komponiert, gespielt und gesungen wurde. Bach war ein Nachkomme einer langen Reihe von Musikern. Er wurde schon früh zum Christen und weihte seine musikalischen Talente und Kompositionen Gott. Während seines Lebens las er alle Werke Luthers mehrere Male durch (die heute 54 dicke Bücher füllen). Er war bekannt dafür, dass er in den Kirchen, in denen er Organist war, alle Predigten mitschrieb.

In dieser Zeit wurden die Konzerte und Fugen in eine barocke Form gebracht. Bach und Händel führten diese Kunstform zur Vollendung. Fugen sind musikalische Formen (die sich aus dem Kanon entwickelt haben), in denen vornehmlich ein Thema oder eine musikalische Phrase in den verschiedenen Stimmen und in bestimmten Abständen beständig imitiert wird. Das Wort „Fuge“ kommt von einem lateinischen Wort mit der Bedeutung „fliegen“. Es bezieht sich auf den Stimmeneffekt, bei dem eine Stimme der anderen mit demselben Thema oder derselben Melodie vorauseilt. In Abgrenzung zum Kanon hat die Fuge einen kontrapunktischen Ablauf, wobei neue Melodien eingeführt werden, die sich gleichzeitig mit dem Thema entwickeln. Um solch eine Form meistern zu können bedarf es der höchstentwickelten musikalischen Kompositionsfähigkeit.

8.2 Haydn und Mozart

Als Bach 1750 starb, kam die klassische Epoche in der europäischen Musik auf. Sie dauerte etwa 50 Jahre. Durch die gnädige Führung Gottes folgten Komponisten wie Franz Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart. Wie Händel und Bach suchten auch sie die Perfektion zu erreichen, allerdings nicht in Fugen, sondern in anderen musikalischen Formen. Sie lebten zu einer Zeit, als ganz Europa sich nach Frische, Freude, Vervollkommnung, guten Manieren, Verhaltensregeln usw. sehnte. Sie machten sich das Streben der Vorklassik nach Perfektion zu Eigen, versahen ihre musikalischen Formen aber mit einem einfacheren Klang und schöneren Melodien. Natürlich versuchten sie, die Regeln zu perfektionieren, aber durch Schönheit und Einfachheit.

8.3 Der methodistische Beitrag zu den christlichen Hymnen

Als Europa sich im 18. Jahrhundert um diese Art von Perfektion in den Künsten bemühte, gab es gleichzeitig ein Verlangen nach biblischer Perfektion im christlichen Leben. Im späten 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts gab es Erweckungen Gottes wie in den Zeiten vor der Reformation. Griffith Jones, Daniel Rowland, Howell Davies, Howell Harris und Jeremy Taylor – um nur einige zu nennen – predigten diese Voraussetzung für eine Erweckung unter den bekennenden Christen Englands. Es gab bereits besondere religiöse Vereine zu der Zeit, als der “Holy Club“ (= „Verein der Heiligen“) in Oxford unter der Leitung der Wesley-Brüder gegründet wurde. Der Weg zur Perfektionierung oder Reifung des christlichen Lebens war selbst in der Musik geebnet worden. Einer der von uns bereits erwähnten Komponisten war Isaac Watts (1674-1748), der den Übergang von der Psalmodie zum Hymnengesang beschritten hatte. Er hatte auch bereits ein Buch mit dem Titel “The Rise and Progress of Religion in the Soul“ (= „Beginn und Entwicklung des Glaubens in der Seele“) begonnen, musste sein Werk aber wegen körperlicher Gebrechen zur Vollendung an Philip Doddridge (einem guten Freund von Watts) übergeben. Doddridge (1702-1751), ein Bewunderer des älteren Watts, schrieb seine Hymnen, um die Hauptlinien seiner eigenen Predigten zu bekräftigen. Diese Lieder wurden zum jeweils zum Ende seiner Gottesdienste hin gesungen.

Es waren jedoch John und Charles Wesley, die Gott außerordentlich gebrauchte – und zwar nicht nur in der großen Evangelikalen Erweckung in England, sondern sie übten auch einen weit reichenden Einfluss auf die christliche Musik aus. Beide, John und Charles, wurden schon früh in ihrem Leben errettet7. Dennoch zeigte ihr Kampf gemäß Römer 7 für einige Jahre ihr eigenes Verlangen nach Perfektion, um „Gott mit ganzem Herzen, Seele, Verstand und Kraft“ zu lieben (was ihre Definition christlicher Perfektion war). Auch wenn Charles nicht über seine Zeitgenossen hinaus musikalisch begabt war, so inspirierte ihn doch der Ausspruch „Er hat ein neues Lied in meinen Mund gelegt“ dazu, mit dem Schreiben von Liedern für die Methodistische Gesellschaft anzufangen. Man schätzt, dass er in seinem Leben zwischen 8.000 (die vorsichtigste Schätzung) und 12.000 Hymnen geschrieben hat. Zeitweise schrieb er im Schnitt fünf Lieder pro Woche. Sein wunderbares Lied “And Can It Be That I Should Gain“ (= „Kann es denn sein, dass Gott mir gibt“) schrieb er eine Woche nach einer ähnlichen geistlichen Erfahrung wie die von John in der Aldersgate Straße. 1742 schreib er auch die klassische Hymne “Wrestling Jacob“ (= „Kämpfender Jakob“). Das Lied handelt von der Jakobs-Natur, der alle Christen gegenüber treten müssen. Beachten sie bitte weitere Lieder, die aus seiner Feder flossen: “Come Holy Ghost All-Quickening Fire!“ (= „Komm, Heiliger Geist, du alles erquickendes Feuer!“), “Christ, Whose Glory Fills the Skies“ (= „Christus, dessen Herrlichkeit den Himmel erfüllt“), “Jesus, Lover of My Soul“ (= „Jesus, Geliebter meiner Seele“), “Oh for a Thousand Tongues To Sing“ (= „Oh, dass ich tausend Zungen hätte“) und “Earth, Rejoice, Our Lord Is King“ (= „Freue dich Welt, der Herr regiert“). Dies alles sind Lieder, die Menschen zu einem vollkommenen Wandel mit Gott aufrufen. Wie Händel, Bach, Haydn und Mozart sich nach Perfektion in der Musik sehnten, so strebten Männer Gottes mit aller Kraft nach Vollkommenheit in ihrem Leben mit Christus. Man kann den Einfluss, den diese Lieder auf England hatten, nur erahnen. Mit dem Aufkommen dieser Hymnen von Tiefgang war der rituelle Tod der Kirche Englands beendet.

Eines von vielen Dingen, die in den Hymnen Charles Wesleys auffallen sind die Ausrufezeichen. Zeile nach Zeile endet mit diesem Satzzeichen. George Findlay sagte: „Vielleicht waren die Leute in jenen Tagen großzügiger damit als heute. Oder hatten die frühen Methodisten so viel auszurufen, so vieles, was sie zum Rufen veranlassen konnte?“ Charles war ein heiterer Dichter. Es war fast so, als wenn die Gnade Gottes die Quellen der Freude geöffnet hätte und das ganze Leben zu einem nicht endenden wollenden Ausrufezeichen geworden war. In keiner Zeit der Kirchengeschichte gab es in der Musik eine größere Ausgewogenheit. Die Predigten waren mächtig und die Lieder ergänzten das Gesagte. Charles und andere Liederdichter seiner Zeit konnten die objektive Wahrheit Gottes und das innerliche Wirken der Gnade Gottes im Herzen des Glaubenden darstellen, ohne zu subjektiv zu werden (wie es später dann war). Das waren noch Lieder mit wirklichem Tiefgang, durch die Melodie gepredigte Kanzelreden. Charles benutze mit Vorliebe vielsilbige Wörter. Denken wir nur an Ausdrücke wie “inextinguishable blaze“ (= „unauslöschliches Feuer“) im Lied “Oh Thou Who Camest From Above“ (= „Oh du, der von oben her kommt“). In anderen Ausdrücken benutzte er “un­utterable“ (= „unaussprechlich“) (was er regelmäßig gebrauchte), “incomprehensible“ (= „unbegreiflich“) und “unfathomable“ (= „unergründlich“). Seine Adjektive glichen den Gewürzen in köstlichen Gerichten, sie waren „erstaunlich“, „wunderbar“, „begeisternd“ usw. Auch das Wort “all“ (= „alles“) nutzte er oft. Es war, als wenn er in jede Richtung des großen Erlösungswerks Christi weisen wollte. Suchen sie nach dem Wort “all“ in Wortverbindungen wie “all-alluring“ (= „allverlockend“) “all-atoning“ (= „allversöhnend“), “all-creating“ (= „allerschaffend“) usw. Scheinbar konnte keine Wahrheit zu tief oder kein Gedanke zu hoch sein, um sich dem Zugriff des Dichters zu entziehen. Er verarbeitete viele Bibelstellen in seinen Hymnen. Das Lied “And Can It Be“ (= „Und kann es sein“) enthält mehr als 36 Verweise auf die Heilige Schrift. Er war wirklich ein Hymnen schreibender Theologe.

Ursprünglich schrieb Charles seine Melodien nur für gut ausgebildete Stimmen. Es waren die Bergleute von Bristol und anderen Orten in England, die ihn veranlassten damit anzufangen, seine Melodien mehr für die Stimme des Mannes von der Straße zu schreiben. Seine ausdrucksstarken Hymnen wurden im Großen und Ganzen von der kirchenfremden Masse der Leute gesungen. Sie wurden mit viel Gefühl, lebhaft und mit dem Wissen um die biblische Wahrheit dahinter gesungen. Einige Jahre später schrieb ein methodistischer Geschichtswissenschaftler:

„Wenn Charles Wesley nicht von der gnädigen Vorsehung Gottes dazu ausersehen worden wäre, heilige Kompositionen zu schreiben, dann hätte dem Methodismus wirklich etwas gefehlt. Die Bewegung wäre nicht so schnell vorangekommen und ihr Einfluss wäre nicht so intensiv gewesen. Alles hätte nicht so nützlich sein und den hingegebenen Geist der großen Versammlung nicht so gut anzünden und am Leben erhalten können. Weder den religiösen Andachten der Familien, noch den Aufgaben der kleinen Stubenversammlungen wäre so viel Hilfe zuteil geworden. Die Lieder haben einen wichtigen Beitrag geleistet, um sorg- und reulose Sünder zu alarmieren, aufrichtige Sucher nach Erlösung zu ermutigen und beizustehen, christliche Gläubige inmitten all ihrer Schwierigkeiten und Entmutigungen auf dem Weg zu trösten, um sie anzutreiben, ihren Lauf mit aller Kraft weiter zu laufen und einen hohen Standard von Heiligkeit zu erreichen, Gepeinigten und Verfolgten Trost zu spenden und dem sterbenden Christen zu ermöglichen, dem letzten Feind mit Gelassenheit und Tapferkeit ins Angesicht zu blicken und mittels seines großartigen Erlösers zu triumphieren.“

Auch wenn John Wesley nicht als Liederdichter bekannt wurde, so hat er uns doch etliche Hymnen von Männern wie Gerhard Tersteegen, Nikolaus Ludwig von Zinzendorf und Paul Gerhard ins Englische übersetzt. Auch diese Lieder waren Teil des Erbes dieses Zeitalters an uns.

Natürlich wollen wir die einflussreichen Dichtungen von John Newton (1725-1807), dem lieben William Cowper (1731-1800) und einer Anzahl von anderen Männern nicht unterschätzen, die aufstanden, um dem heiligen Feuer dieses Zeitalters neue Nahrung zu geben. Dennoch denken wir, dass Charles Wesley und Isaac Watts wahrscheinlich die Einflussreichsten waren. Was ihre großartigen Fähigkeiten anbelangt, so ergänzten sie sich gegenseitig. Man sagt, dass Watts eine Weite des Gefühls, eine umfassende Betrachtungsweise und ein Feingefühl im Sprachgebrauch hatte, während Wesley, der öfter vom Horizont der methodistischen Erweckung begrenzt wurde, durch größere Standhaftigkeit, Schlagkraft und Kampfesmut charakterisiert war. Ihre Kompositionen haben alle kirchlichen Begrenzungen weit hinter sich gelassen. Die wahre Gemeinde/Kirche aller Zeiten und in aller Welt ist durch die Werke dieser Männer herausgefordert, inspiriert und gesegnet worden. Diese Lieder des 18. Jahrhunderts haben England aus seiner dumpfen, unpersönlichen, lediglich religiösen Sicht Gottes herausgeholt.

Charles Wesley instruierte die Vorsänger der methodistischen Gottesdienste, „die Zeit und die Worte aufeinander abzustimmen. Vermeidet komplexe Klänge, die man nur selten mit Hingabe singen kann. … Singt keine Nationalhymnen. Erlaubt den Leuten nicht, zu langsam zu singen. … Ermahnt jeden in der Versammlung zu singen, dass nicht nur einer von zehn seine Stimme erhebt.“

8.4 Andere Komponisten des 18. Jahrhunderts.

Es wäre aber unangebracht zu denken, dass nur zwei oder drei in diesem höchst ungewöhnlichen Zeitalter der Segnungen Gottes im Schreiben von Musik von Gott geleitet worden waren. Die Predigten hatten Tiefgang und waren wirkungsvoll, was tiefe Brunnen in den Herzen von Musikern zum Ausbruch brachte. Um nur einige zu nennen:

  1. John Cennick (1718-1755) war einer von George Whitefields engsten Freunden und etliche Jahre lang sein wichtigster Assistent. Er versah das Amt des Pastors in Whitefields Gotteshaus in London und hatte die Oberaufsicht des Methodismus Whitefieldscher Prägung, während jener nach Amerika reiste. Später engagierte er sich sehr in der mährischen Bewegung. Während dieses Zeitalters waren seine Hymnen in Ehren gehaltenes Eigentum der Kirche. Zwei seiner weithin bekannten Tischgesänge (die vor und nach den Mahlzeiten gesungen wurden) sind in John Wesleys riesigem Familien-Teepott eingeritzt und werden immer noch in den methodistischen Räumlichkeiten in der City Road in London aufbewahrt.

  2. Anne Steele (1717-1778) war eine von Gott geführte Frau, die in ihrem Leben so einige Tragödien zu erdulden hatte. Sie mag vielleicht nicht mit Watts vergleichbar sein (dessen Schriften sie sehr stark beeinflussten) oder Wesley, aber sie rangiert unter den wichtigsten Frauen, die Hymnen schrieben. Sie scheute die Öffentlichkeit und stimmte einer Veröffentlichung ihrer Lieder nur unter dem Pseudonym Theodosia zu. Ihre letzten Worte im Leben waren: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“

  3. William Williams (1717-1791) wird oftmals der „Exzellente Sänger von Wales“ oder der „Hofdichter“ der religiösen Erweckung des 18. Jahrhunderts genannt. Er schrieb beinahe 1000 walisische Hymnen, aber nur 123 englische Lieder. Seine Hymnen umfassen das ganze Feld der christlichen Erfahrungswelt, von tiefster Verzweiflung bis zu den Höhen der festesten Zuversicht. Er schrieb über den Sonnenunter- und -aufgang, Kornfelder, Berge, das Meer und viele Dinge des Lebens. Doch all diese Dinge wiesen auf Gott hin.

  4. John Berridge (1716-1793) war ein Engländer, der sowohl John Wesley, als auch George Whitefield zum Freund hatte. Inmitten seiner Verschrobenheit war er ein Mann von besonderen musikalischen Fähigkeiten.

  5. Thomas Olivers (1725-1799) war ebenfalls Engländer, der vor seiner Bekehrung ein bösartiger junger Mann gewesen war. Danach wurde er zu einem gewaltigen Prediger der Gerechtigkeit Gottes. Er schrieb die großartige Hymne “The God of Abraham Praise“, die zu seinen Lebzeiten bis ins 19. Jahrhundert hinein einen weit reichenden Einfluss ausübte. Man beerdigte ihn im selben Gewölbe wie John Wesley, nämlich auf dem City Road Kapellenfriedhof in London.

  6. Michael Bruce (1746-1767) war durch und durch ein Schotte, der bereits früh starb, nicht aber ohne vorher seine Heimat mit seinen Hymnen beeinflusst zu haben. Von seinen Landsleuten wurde als “Sanftmütiger Poet von Loch Leven“ beschrieben. Wenn er länger gelebt hätte, wäre er wahrscheinlich so bekannt wie Watts, Wesley, Doddridge, Newton und Cowper geworden.

  7. Samuel Medley (1738-1799) wurde in Cheshunt, in Herts geboren. Im Kampf zog er sich eine ernste Beinwunde zu. Am Tag darauf musste ihm das Bein abgenommen werden. Er betete zu Gott und fing an, die Bibel zu lesen, die sein Vater ihm gegeben hatte. Der Herr heilte ihn – zum äußersten Erstaunen der Ärzte. Nach seiner Bekehrung schrieb er eine ganze Anzahl von Hymnen, die Gott erhoben. Seine Liedtexte gaben dringend notwendige Antworten auf die Erfahrungen der Gläubigen dieses Zeitalters.

  8. John Newton (1725-1807) hätte viele Seiten über sein Leben und seinen Beitrag für den Leib Christi verdient. Von Calvin heißt es, er wäre „der Mann, den Gott ganz beherrschte“. Dasselbe kann wahrscheinlich von Newton gesagt werden. Letzterer gab uns die berühmten “Olney Hymns“, die er und der Dichter William Cowper gemeinsam schrieben. Newtons Lied “Amazing Grace“ (= „Erstaunliche Gnade“) ist in mehr Sprachen als jedes andere Lied übersetzt worden.

  9. William Cowper (1731-1800) war ein Mann, der in der Geschichte wegen seiner lebenslangen Gehirnprobleme grob missverstanden worden ist. Dennoch müssen wir anerkennen, dass er von Gott inmitten seiner Leiden gewaltig gebraucht worden ist. Wir können sein Leben und seinen Dienst geistlich besser verstehen, wenn wir die Schriften und den Einfluss von John Newton beachten (der bis zum Ende ein sehr enger Freund Cowpers war).

  10. Augustus M. Toplady (1740-1778) war strenger Calvinist. In seiner Musik findet man viel Lehre. Sein Stil ist unverwechselbar. Am bekanntesten wurde er durch sein Lied “Rock of Ages“ (= „Fels der Zeiten“).

  11. John Ryland (1753-1825) war englischer Baptistenprediger, der 99 Hymnen komponiert hat. Er war eine große Ermutigung für das Werk William Careys, für den er täglich betete.

Auch wenn es andere, im späteren 18. Jahrhundert geborene Männer gegeben hat, so war ihre Musik doch von größerem Einfluss während des 19. Jahrhunderts, weil sie ihre Schaffenszeit in diesem Zeitalter hatten.

 

9. Predigten und Musik der Erweckung im 19. Jahrhundert

Das 19. Jahrhundert sah die Fortführung des Wirkens Gottes von der zweiten Großen Erweckung und dem Ausgießen des Geistes Gottes in der dritten Großen Erweckung auf beiden Seiten des Atlantiks. Die Zeltgottesdienst-Bewegung fing (um 1800) in Kentucky, in Amerika an. Sowohl die Predigten, als auch der Rest der Erweckungsbewegung unterschieden sich ein wenig von den vorherigen großen Erweckungen. Im 18. Jahrhundert scheinen die Predigten einen größeren Tiefgang gehabt zu haben, wobei die Prediger stärker von der Gelehrsamkeit geleitet wurden. Ihre Musik wurde zum Spiegelbild dieser Predigten. Dennoch wirkte Gott durch eine Anzahl von bluterkauften Männern mit derselben Überzeugungskraft im 19. Jahrhundert. Auch wenn es im 19. Jahrhundert einige Männer von biblischer Gelehrsamkeit gab, so war jede Predigergeneration dieses Zeitalters doch scheinbar immer simpler gestrickt. Damit ist nicht gemeint, dass ihr Wandel mit Gott, ihre Herzenshaltung Gott gegenüber oder die Wirkung ihrer Stimme für Christus immer stärker ausgehöhlt wurde, sondern ihre Predigten hatten eine stärkere evangelistische Stoßkraft, statt das Herz und Leben tief in Gott zu verankern. Von daher können wir vielleicht verstehen, warum es auch charakteristisch für dieses Zeitalter war, dass der Unitarianismus, der Liberalismus, der Modernismus, die Evolutionshypothese, die Progressive Erziehung, die Kulte und eine Heer von anderen Feinden der Heiligen Schrift entstanden. Die gewaltige Erweckung in Amerika weitete ihren Einfluss durch Evangelisten wie Peter Cartwright (1785-1872) in den Westen aus. Solche Männer waren grobschlächtige, aber beredsame Prediger des Hinterlands. Ihre Art zu predigen war irgendwie unorthodox, aber für die Bedürfnisse der rauen Gesellen des Westens durchaus angemessen.

Dwight L. Moody und Ira David Sankey waren Männer, die auf gewaltige Art und Weise von Gott benutzt wurden. Sie besaßen aber nicht genügend Bibelgelehrsamkeit, um wirkungsvoll genug bekämpfen zu können, was in der modernen Theologie am Horizont heraufstieg. Trotzdem waren das Männer, deren Herz für Gott entflammt war, und die Ihm alles zu Füßen gelegt hatten, was sie an Fähigkeiten und Talenten besaßen.

Was wir in den vorigen Kapiteln ausführten musste gesagt werden, um die Veränderungen verstehen zu können, die in der christlichen Musik stattfanden. Einige Gebiete der Englisch sprechenden Welt waren damals noch immer von den Nachwirkungen des Wirkens des Geistes Gottes im 18. Jahrhundert beeinflusst (wie z.B. Schottland und England). Deshalb hatten eine große Anzahl von Komponisten und ihre Hymnen einen ähnlichen Tiefgang der Lehre wie deren Vorgänger. Dazu sollten wir auch Horatius Bonar (= „der Redliche“) von Schottland zählen. Seine Hymnen pulsieren vor Wärme und Leben. Es ist offensichtlich, dass er sowohl von Watts, als auch von Charles Wesley beeinflusst war. Auch wenn viele dieser Lieder von den persönlichen Erfahrungen der Gläubigen handeln, so enthalten sie doch keine ungesunde Selbstbespiegelung. Während seiner Jahre als Christ zog es ihn zur englischen Literatur, den antiken Klassikern und griechischen und lateinischen Hymnen der frühen Kirche. Seine eigenen Lieder waren im Wesentlichen ein wieder aufgelegtes Andenken an Komponisten früherer Generationen.

Die Hymnendichtung verschiedener Frauen dieses Zeitalters sollten wir nicht ausschließen. Eine von ihnen war Francis Ridley Havergal (1836-1879). Charles Haddon Spurgeon sagte einmal, dass sie „wie ein Seraph gesungen“ hätte. Durch ihre Musik war sie bekannt als die „Poetin eines tieferen Lebens“. Ihre Dichtungen waren Ausdruck eines inneren Verlangens nach einem tieferen, reicheren und engeren Wandel mit Gott. Ihr beständiges Streben war auf die Aneignung von Reichtum in ihrem auferstandenen Erlöser ausgerichtet. Bereits mit 21 Jahren schrieb sie die Hymne “Take My Life and Let It Be“ (= „Nimm mein Leben und benutze es“), die wahrhaftig etwas von ihrem Herz für Christus offenbarte. Sie war die Tochter von William Henry Havergal, einem Mann von ernsthafter Frömmigkeit und großartigen Gaben, der zu seiner Zeit als eine der höchsten Autoritäten der Kirchenmusik und Psalmendichtung bekannt war. Er benannte den zweiten Vornamen seiner Tochter nach dem berühmten Bischof Ridley, einer aus der ehrenwerten Armee der Märtyrer. Inmitten körperlicher Gebrechen, die Francis Havergal während ihres Lebens zu erleiden hatte, war sie eine produktive Dichterin. Auch konnte man in ihr alle Anzeichen eines Herzens der vorhergehenden, für Gott brennenden Generationen finden.

Eine weitere bemerkenswerte Frau war die liebe Elizabeth Payson Prentiss (1818-1878). Sie wurde in einem frommen Elternhaus geboren und heiratete später einen Mann Gottes. Eine ganze Anzahl von herausragenden Hymnen flossen aus ihrer Feder, wobei “More Love to Thee“ (= „Dich mehr lieben“) die bekannteste ist. Dieses Lied war die Antwort eines Herzens, das beinahe sieben Jahre lang gebetet hatte, dass Gott ihre Liebe für ihn vertiefen möge. In einer von Gottes Gnade herbeigeführten Krise glaubte sie eines Tages, dass Gott ihre Gebete beantwortet hätte, und dieser Liedtext war das Ergebnis dieses geistlichen Werkes. Sie schrieb mehr als 123 Gedichte, von denen viele in Lieder gesetzt wurden. Ihre Hymnen waren überdurchschnittlich was die Tiefe der Darstellung Christi und seines Erlösungswerks anbetrifft.

9.1 Der musikalische Dienst von Ira Sankey

Es kam noch eine andere Art von Lied durch die dritte Große Erweckung, nämlich die „Gospel Hymne“. Man findet es im Dienst von Ira David Sankey (1840-1908). Er schrieb und gab dutzende von Hymnen heraus, die weltweit bekannt wurden. Er machte auch Hymnen von anderen Komponisten öffentlich bekannt, die anderweitig nie gehört worden wären. Sankey war ein feuriger methodistischer Chorleiter und Sonntagsschullehrer, der 1873 D. L. Moody auf einer Tagung des “YMCA“ (= „Christlicher Verein Junger Männer“) in Indianapolis vorgestellt wurde. Er wurde von Gott nicht nur hier in Amerika in den Moody Evangelisationsfeldzügen benutzt, sondern 1873 auch auf den Britischen Inseln. Insbesondere nach Moodys Tod 1899 widmete er sich ganz der Herausgabe vieler Liederbücher und Kompositionen. (Im späteren Teil seines Lebens verlor Sankey sein Augenlicht, was ihn zu einer engen Freundschaft mit Fanny Jane Crosby brachte). Es ist nicht unsere Absicht, den geistlichen Beitrag Sankeys und seiner Musik zu unterminieren, weil es zum evangelistischen Dienst und zum Auftrag von Moodys Dienst passte. Er gehörte zu den Männern, die auf einer Bahnfahrt ein Gedicht finden, es in seine Tasche stecken, am Ende einer Predigt von Moody wieder auspacken und sofort in Musik umwandeln konnte – Musik, die dann bei einer Einweihung gesungen wurde. So war es auch beim Lied “The Ninety and Nine“ [= „Die 99 Schafe“], C. T. Studd bekehrte sich später, weil er ihn dieses Lied singen hörte. Er sang auf Charles Spurgeons Beerdigung und hielt für Theodore Roosevelt Gottesdienste ab, der ihn eben dazu für seine Mitarbeiter eingeladen hatte. An Orten in der ganzen Welt sang er in seiner hohen Bariton-Stimme. Seiner Musik fehlte aber die Tiefe vorhergehender Generationen und war in ihrer Betonung subjektiver geworden, so dass die Ausgewogenheit der Botschaft gekippt wurde, die doch so nötig für den Christen ist. Sankey selbst bemerkte das in seinen Versammlungen in Schottland, in denen er Horatius Bonar zum ersten Mal begegnete. Er erwähnte den viel größeren Tiefgang der Musik „des Redlichen“ im Vergleich zu seiner eigenen.

9.2 Fanny Jane Crosby

Eine weitere bekannte Liederdichterin war Fanny Jane Crosby, die in frühester Kindheit erblindet war, weil ein Dienstmädchen ihr die falsche Augenmedizin gegeben hatte. Trotz ihres Handicaps war sie eine bemerkenswerte Frau. Als sie einmal gefragt wurde, was sie sich wünschen würde, wenn sie einen Wunsch frei hätte, antwortete sie: „Ein Wunsch? Was soll ich sagen? Ich wünsche mir, dass ich für den Rest meines Lebens blind bleiben möge, so dass der erste, den ich einmal sehen werde, Jesus ist.“ Sie war ebenfalls eine produktive Liederdichterin; denn beinahe 8000 Hymnen gehen auf ihr Konto. Ihre Musik hatte ebenfalls einen subjektiven und evangelistischen Touch. Sie und Sankey waren beide Methodisten (letzterer wurde von Crosby in seiner Blindheit und in seinem halbinvaliden Leben in den letzten Jahren sehr ermutigt). Auch wenn sie die Erben eines seltenen musikalischen Erbes waren, so neigte die Waage der Wahrheit doch mehr zur menschlichen Seite. Was den Inhalt anbetrifft, so verschwand der lehrhafte Tiefgang immer mehr, der doch so nötig gewesen wäre, um die eindringenden Kräfte des Liberalismus und Modernismus bekämpfen zu können.

9.3 Philip P. Bliss

Es ist nicht unsere Absicht, eine ganze Anzahl weiterer Komponisten dieses Zeitalters zu übersehen. Dennoch halten wir die beiden soeben erwähnten für die Einflussreichsten. Trotzdem möchten wir kurz Philip P. Bliss vorstellen, der schon im Alter von 39 Jahren starb. Wenn die göttliche Führung sich dazu herablassen hätte können, ihn länger leben zu lassen, dann wäre sein Einfluss wahrscheinlich noch viel größer gewesen. Er hatte ein geistliches Feingefühl zum Schreiben von Hymnen. Ein sowohl von den Worten, als auch von der Melodie her kostbares musikalisches Juwel, dass er dem Volk Gottes übergab, war “Hallelujah, What a Saviour!“ (= „Halleluja, was für ein Erlöser!“). Ein furchtbares Zugunglück, ausgelöst durch den Zusammenbruch einer defekten Brücke in Ashtabula, in Ohio (U.S.A.), beendete sein und das Leben seiner lieben Frau in einem brennenden Inferno. Gerade einmal einen Monat vor seinem Tod hatte Bliss die Worte von Horatio Spaffords Gedicht “It Is Well with My Soul“ (= „Mir ist wohl in dem Herrn“) mit einer Melodie versehen. Diese Melodie ergänzt auf wunderbare Weise die Last eines beraubten Vaters (nämlich Spaffords), der seine Kinder bei einem Schiffsunglück auf dem Atlantik verloren hatte.

9.4 Ein Nachwort zu unseren Bemerkungen

Die soeben abgeschlossene Studie lässt uns zwei Ebenen von Musik erkennen, die im 19. Jahrhundert aus dem Herzen erlöster Menschen floss: Zunächst waren da einmal diejenigen, die sich was den Tiefgang und das brennende Herz angeht noch mit dem vorhergehenden Zeitalter identifizierten und ein Vorankommen in den Wegen Gottes betonten. Zweitens gab es diejenigen, die sich im späteren Teil des 19. Jahrhunderts mehr der Evangelisation verschrieben hatten. Einerseits könnte man historisch betrachtet zu dem Schluss kommen, dass diese beiden Richtungen sich gegenseitig ergänzt hätten. Andererseits liegt es auf der Hand, dass die Gospel-Lieder immer einflussreicher wurden. Sie führten die Christliche Musik schließlich ins 20. Jahrhundert. Auch wenn die Evangelisation ganz sicher ein Teil der Evangeliumsbotschaft ist, so muss dieser Anfang doch in die Stärke eines soliden, voranschreitenden christlichen Lebens münden, um die Erfahrung der Wiedergeburt bewahren zu können. Wenn die Betonung in der christlichen Lehre aber auf „Erfahrung“, „Gefühl“ und „Zuversicht“ gelegt wird, ohne den weitergehenden Anspruch auf ein völlig hingegebenes Leben, dann wird daraus offensichtlich eine hohle, verkümmerte Sicht des Christentums entstehen. Ja, wir danken Gott für die Erweckungen im frühen und späten 19. Jahrhundert, aber lediglich Evangelisationen werden die Kirche/Gemeinde nicht bewahren, wenn der Feind wie die Flut hereinbricht. In solch einer Situation wird das seichte Christentum von der Flutwelle der Lehrabweichungen hinweggespült werden und die gegenwärtige institutionalisierte Kirche ist der Beweis dafür. Es ist sehr schön, wenn Seelen errettet werden, aber was wird solche neugeborenen Babys ernähren und bewahren? Der Mangel an tiefer gehender biblischer Lehre und Predigt über das Gott ganz hingegebene Leben hat den Abfall von Gott einer ganzen Anzahl von konservativen Ortskirchen/-gemeinden zur Folge gehabt. Seichte Predigten öffnen der seichten Musik Tür und Tor. Solch ein Duo wird den Sarg jedweder Kirche oder Gemeinde zimmern.

Situationen, die „ganz in Ordnung“ zu sein scheinen, führen manchmal eben zu Dingen, die „vollkommen daneben“ sind. Es ist absolut notwendig für uns als Gemeinde des auferstandenen Christus, zwischen dem zu wählen, was „gut“ und „besser“ ist, anstatt einfach nur zwischen „gut“ und „böse“. Nur der „beste“ Weg scheint mir der sichere Weg zu sein, wenn das Zeitalter der Sache seinen Stempel aufdrückt. Unser nächstes Kapitel wird das in allen Einzelheiten beweisen.

Wir schließen mit den Worten Bernard Mannings, des bekannten Freikirchlers, der folgende Warnung an die Methodistische Kirche von 1932 richtete:

„Ihr redet viel, und ihr habt Recht in dem, was ihr über die Werke erzählt, die der Methodismus für die Welt und die weltweite Kirche/Gemeinde Gottes tut. Euer größter, unvergleichlich größter Beitrag zum allgemeinen Erbe des Christentums liegt aber in Wesleys Hymnen. … In ihnen habt ihr etwas Einzigartiges. … Ich beschwöre euch nun, … dieses gute Erbe zu bewahren, das euch seltsamerweise anvertraut worden ist. In den Liedern Wesleys … liegt etwas, was nur ihr ganz verstehen könnt, und was (wie ich fürchte) ihr nicht länger für Wert erachtet, verstanden zu werden. (aus: “Streams of Life: Revival in the Age of Wesley“ [= “Ströme des Lebens: Erweckung im Zeitalter Wesleys”] von Eric Stewart, 1988, S. 91).

 

1 Das Nunc dimittis (von lat. „Nun entlässt du“, den Anfangsworten, auch genannt „Lobgesang des Simeon“ bzw. „Canticum Simeonis“) ist zusammen mit dem Magnificat und dem Benedictus einer der drei Lobgesänge (Cantica) des Lukasevangeliums (Lukas 2, 29-32).

Der Text stammt aus der Erzählung von der Darstellung Jesu im Tempel von Jerusalem (Lk. 2). Der greise Siemeon erkennt ihn als den Messias, auf den er gewartet hat, preist Gott dafür und erklärt sich nunmehr zum Sterben bereit.

Das Nunc dimittis wird im Stundengebet der katholischen Kirche täglich gebetet. Mit seiner Dank- und Abschiedsstimmung gehört es dabei zum Nachtgebet (Komplet).

In der protestantischen Kirchenmusik diente dieser Text häufig als Grundlage für Begräbniskompositionen, z. B. bei Heinrich Schütz.

2 Andreas Rudolf Bodenstein, auch: Andreas Rudolff-Bodenstein von Karlstadt, (* um 1482 in Karlstadt, † 24. Dezember 1541 in Basel) war ein deutscher Reformator des 16. Jahrhunderts. Er war der Professor in Wittenberg, unter dem Martin Luther promovierte. Die letzten Jahre seines Lebens wirkt er als Professor und Pfarrer in Zürich und Basel (Schweiz).

3 Martin Bucer (* 11. November 1491 im elsässischen Schlettstadt [heute: Sélestat], † 1. März 1551 in Cambridge [England]), wurde auch Martin Butzer genannt. Er gehörte zu den bedeutenden Theologen der Reformation und gilt als der Reformator Straßburgs und des Elsass.

4 Ulrich Zwingli (früher auch Huldrych Zwingli genannt; * 1. Januar 1484 in Wildhaus; gefallen im 2. Kappelerkrieg am 11. Oktober 1531 in Kappel am Albis) ist der Zürcher Reformator. Aus der Zürcher Reformation und der Genfer Reformation ging die Reformierte Kirche hervor. Seine Theologie wurde in der zweiten Generation von Heinrich Bullinger und Johannes Calvin weiter geführt.

5 Guillaume Farel (* 1498 in Gap in der Dauphiné; † 13. September 1565 in Neuenburg) war ein Reformator der französischen Schweiz, sowie Vorgänger und Mitarbeiter Johannes Calvins.

6 Die Sage von Pyramus und Thisbe wird erstmals in Ovids Metamorphosen erwähnt. Sie ist in den Bericht einer Feier zu Ehren des Gottes Bacchus, in der die Töchter des Minyas verschiedene Liebesgeschichten erzählen, eingebettet.
Pyramus und Thisbe sind ein babylonisches Liebespaar, welches sich aufgrund der Feindschaft ihrer Eltern nicht sehen darf. Die einzige Möglichkeit sich zu sehen, stellt ein Loch in einer Ziegelmauer zwischen den Beinen Thisbes dar.
Nach längerer Zeit vereinbaren Pyramus und Thisbe ein nächtliches Treffen unter einem Maulbeerbaum. Thisbe trifft früher als Pyramus bei dem Baum ein und muss vor einer Löwin flüchten. Dabei verliert sie ihren Schleier, der von der Löwin zerrissen wird.
Als Pyramus erscheint, findet er den zerrissenen Schleier, nimmt an, dass Thisbe von der Löwin getötet worden wäre, und stürzt sich daher unter dem Maulbeerbaum in den Schweif der Löwin. Laut der Sage sind seitdem die Früchte des Baums schwarz. Thisbe kehrt zurück, findet den verletzten Geliebten, und verletzt sich ebenfalls.

Die Sage wurde von William Shakespeare in seinem Theaterstück „Romeo und Julia“ als Tragödie und in „Ein Sommernachtstraum“ als Parodie verarbeitet.

7 Man kommt zu diesem Schluss, wenn man ihre Tagebücher liest. Das “Aldersgate Experience“ wurde von John klar als Wirken der Gnade Gottes in seinem Leben gekennzeichnet. Lesen sie “A Plain Account of Christian Perfection“.
Die „Erfahrung von Aldersgate“ (einer Straße in London) beschreibt Wesley so:
“Am Abend ging ich missmutig zu einer Versammlung in der Aldersgate Straße, wo jemand Luthers Vorwort zum Römerbrief vorlas. Etwa um viertel vor neun fühlte ich mein Herz seltsam erwärmt, während der Leiter die Veränderungen beschrieb, die Gott durch den Glauben an Christus im Herzen bewirkt. Mir wurde bewusst, dass ich Christus nur für eine unpersönliche Erlösung vertraute und ich bekam die Gewissheit, dass er meine Sünden weggenommen hatte, sogar meine, und mich vom Gesetz der Sünde und des Todes errettet hatte." (Aus dem Tagebuch John Wesleys vom 24. Mai 1738).