Anstellung bei einem Bildungswerk

 

Nach meiner Umschulung zum Informatik-Kaufmann verbrachte ich zunächst einmal einige Wochen mit der Job-Suche. Schon während des letzten Jahres der Umschulung hatte ich gemerkt, dass es mich mit Macht wieder zum Lehrer-Beruf zurückzog. Ich bin einfach Lehrer - das ist meine Berufung und es ist das, was ich am Besten kann.

Schließlich fand ich etwas bei einem Bildungswerk, wo ich als EDV-Lehrer eingestellt wurde. Die Arbeit gefiel mir. Ich konnte PC-Unterricht in Eigenverantwortung geben, und zwar für so genannte "benachteiligte" Jugendliche. Darunter verstand man Jugendliche bzw. junge Erwachsene, die noch keine Ausbildungsstelle gefunden hatten. Einige von ihnen waren bereits älter als 24 Jahre und hatten noch immer nichts.

Sie durchlebten alle mehr oder weniger große Probleme zu Hause und waren zum Teil schon stark entmutigt oder hatten innerlich mit sehr schweren Problemen zu kämpfen. Viele konnten die Scheidung ihrer Eltern nicht verarbeiten, einige flüchteten sich in Alkohol, Hasch oder auch härtere Drogen und wieder andere hatten generell Probleme mit der deutschen Sprache, weil sie Russland-Deutsche waren oder aus anderen Ländern kamen.

Nebenbei sprang ich auch immer wieder ein, um Bewerbungs-Unterricht zu geben. Einmal gab ich einem von meinen Teilnehmern die Anweisung doch endlich seine Bewerbung zu Ende zu schreiben. Er trödelte stundenlang herum und konnte gar nicht einsehen, warum er das tun sollte. Immerhin zahlte das Arbeitsamt ihm Geld für seine Kursteilnahme und konnte mit Recht erwarten, dass er alles tat, um seine Chancen auf einen Ausbildungsplatz zu erhöhen. Er aber antwortete mir nur: "Ich habe doch letzte Woche schon eine Bewerbung geschrieben." Ich war etwas fassungslos. Da gab es doch tatsächlich junge Erwachsene, die eine ganze Woche brauchten, um eine Bewerbung zu schreiben. Und (wie ich später erfuhr) sandten sie ihre Bewerbungen dann oftmals auch gar nicht ab.

Der Frust dieser Teilnehmer war so groß, ihr Selbstvertrauen so gering und ihre privaten Probleme so gewaltig, dass sie sich selbst keine Chancen mehr gaben und alle Hoffnung aufgegeben hatten. Sie taten wirklich viel, um sich um jede Art von Bewerbung oder Anstellung herumzudrücken.

Einige von ihnen waren auch gar nicht vermittelbar. Wenn sie jemand von meinen Kollegen vermittelt hatte, brachen sie jedes Praktikum nach kurzer Zeit ab und die Firma wollte in Zukunft niemanden vom Bildungswerk mehr nehmen.

Meine Kollegen waren fast ausnahmslos Sozialpädagogen, die sich um die schwierigen zwischenmenschlichen Angelegenheiten kümmerten und viele Gespräche mit den jungen Erwachsenen führten. Dadurch waren die meisten von ihnen dann in der Lage, in meinem PC-Unterricht aufzupassen und nicht sich selbst und andere ständig zu blockieren.

Außerdem unterrichtete ich beim Bildungswerk ihr ausgearbeitetes Programm für Grundlagen in den Bereichen Internet, Textverarbeitung und Tabellenkalkulation. Am Ende einer Woche Blockunterricht legten die Teilnehmer eine Prüfung ab und bekamen einen Anwender-Pass-Schein. Diesen konnten sie ihrer Bewerbung beilegen und damit ihre Chancen auf einen Ausbildungsplatz erhöhen.

Während der Ferien gab ich in eigener Regie einen Kurs für Kinderspiele am PC, zu dem auch eine ganze Menge Kinder kamen. Da ich über die Jahre selbst viele Programme für meine eigenen Kinder gekauft hatte, konnte ich jetzt mit einer ganzen Bandbreite von nützlichen (Lern-)Spielen aufwarten und meine Besucher hatten sichtlich Freude am Umgang mit unseren Computern.

Einmal wurde ich eingeteilt, um Hauptschullehrern einen Kurs in Internet-Grundlagen zu geben. Das funktionierte sehr gut. Ein andermal gab ich zusätzlich am Samstag einen weiteren solchen Kurs für jeden, der sich dazu angemeldet hatte. Alle waren zufrieden mit mir und ich hatte große Freude an meinem Beruf.

Ein halbes Jahr lang fuhr ich jeden Tag zur Arbeit und zurück mit meinem Fahrrad. Da es jedes Mal 12 Km waren, war ich fit und stark. Außerdem nahm ich die 10 Kg wieder ab, die ich mir nach der Erfahrung mit der "Christlichen" Schule aus Frust angefuttert hatte. Es ging mir eigentlich rundum gut.

Doch der Hauptarbeitgeber des Bildungswerks war das unberechenbare deutsche Arbeitsamt. Gelder fehlten, Aufträge wurden zurückgezogen und es mussten Mitarbeiter entlassen werden. Da ich kein Sozialpädagoge war und die bewilligten Kurse hauptsächlich solche Begabungen benötigten, war ich der erste, der gehen musste. Es war zum Verzweifeln.

Die Arbeitsagentur bewilligte Gelder nur aufgrund von politischen Entscheidungen auf höchster Ebene. Da immer mehr Deutsche arbeitslos wurden und daher immer weniger Geld in den Kassen war, musste gespart werden. Es war interessant, dass zuerst an dieser Stelle gespart wurde. Das konnte doch nur heißen, dass die Politiker diese Art von Förderung der Jugendlichen selbst nicht als so besonders wertvoll und wichtig ansahen.

Auch den Verantwortlichen stellte sich offenbar die Frage, welchen Sinn es überhaupt hatte, so viel Geld für diese Jugendlichen auszugeben; denn die Ergebnisse waren eigentlich nur eine Symptom-Behandlung.

Stattdessen hätte man lieber die Familien stärken sollen, damit solche kaputten jungen Erwachsenen gar nicht erst "entstehen" konnten. Warum kommt in unserem reichen Land niemand auf diese Idee? Damals konnte ich es noch nicht verstehen.

Einige Tage bevor man mir mitteilte, dass man für mich "keine weitere Verwendung" mehr hätte, saß ich mit allen Kollegen im sonnigen Hinterhof ihres Hauptgebäudes. Wir kamen auf "meinen Glauben" zu sprechen und ich merkte, wie sie mir auf ihre typische sozialpädagogische Art ganz vernünftig klarmachen wollten, dass ich "meine Religion" doch nicht so absolut und ernst nehmen sollte. Wir wollten doch eigentlich alle dasselbe, oder? Ich schaltete im Gespräch einen Gang höher und bestand auf den Grundlagen "meines Glaubens" (wie sie es immer nannten). Gott musste mir eine Menge Überzeugungskraft gegeben haben; denn keiner konnte auf meine Worte noch etwas erwidern. Alle merkten, wie überzeugt ich von dem bin, was in der Bibel so deutlich und klar gesagt wird. Damit hatte ich gegen die ganze Mannschaft klar Stellung bezogen und mich eindeutig auf Jesu Seite gestellt. Es machte mir nichts aus, von ihnen dann abgelehnt und nicht verstanden zu werden,  weil das so oder so das Schicksal aller echten Christen ist. Ich selbst war früher ja auch keinen Deut besser und konnte das sehr gut nachempfinden.

Kurze Zeit später wurde ich dann entlassen. Das muss nicht unbedingt eine Folge meines "Fanatismus" gewesen sein, sondern mein Auftrag von Gottes Seite her war einfach erfüllt. Ich sollte sowohl den Schülern, als auch all meinen Kollegen ein deutlicher Wegweiser auf Jesus hin sein und das war ich offensichtlich gewesen. Trotzdem gebührt Gott die Ehre, weil Er mir die Kraft und Fähigkeiten zu allem gegeben hat. Überhaupt sollten wir unseren Beruf mehr als eine Art "Lampenfassung" sehen, in die wir eine Zeitlang "eingedreht" werden, um den anderen zu "leuchten". Dann nimmt Gott uns heraus und setzt uns an einen anderen Ort, damit wir auch dort das helle Licht des Evangeliums scheinen lassen. Wir sind das Licht der Welt (Mt. 5,14)! Wenn wir den Menschen nicht den Weg zu Gott zeigen, wer dann?