Testament von Naphtali

Über natürliche Tugend

1. Naphtali

Die Aufzeichnung des Testaments von Naphtali. Die Dinge, die er zur Zeit seines Todes im 132. Jahr seines Lebens anordnete. Als seine Söhne sich im siebten Monat am vierten Tag des Monats versammelt hatten, während Naphtali noch bei guter Gesundheit war, richtete er ihnen ein Fest aus. Als er am nächsten Morgen erwachte, sagte er zu ihnen: „Ich sterbe.“ Aber sie glaubten ihm nicht. Er lobte den Herrn und versicherte, dass er nach dem Fest vom Vortag sterben würde. Er fing dann an, seinen Söhnen zu sagen: „Hört zu, meine Kinder. Ich wurde von Bilha geboren. Weil Rahel listig vorging und Bilha Jakob gab statt ihrer selbst, gebar sie mich auf Rahel Schoß. Daher wurde ich Naphtali genannt. Rahel liebte mich, weil ich auf ihren Schoß geboren wurde. Als ich noch sehr jung und zart war, küsste sie mich oft und sagte: „Ich hoffe, dass ich mal einen Sohn bekomme wie dich!“ Joseph wurde in vielerlei Hinsicht wie ich, genau wie Rahel gebetet hatte. Meine Mutter war nun Bilha, Tochter von Rotheus, Bruder von Deborah, Rebeckas Kindermädchen. Sie wurde am selben Tag wie Rahel geboren. Rotheus war von der Familie Abrahams, ein Chaldäer, der Gott fürchtete, frei geboren und edel war. Er wurde gefangen genommen und von Laban gekauft, der ihm seine Magd Aena zur Frau gab. Sie gebar eine Tochter, die sie Zilpa nannte – nach dem Ort, in dem sie gefangen genommen wurde. Danach brachte sie Bilha zur Welt und sagte: „Meine Tochter trachtet immer nach dem Neuen,“ weil sei direkt nach der Geburt schon die Brust suchte.1

2. Die eigene Berufung herausfinden

Weil ich so schnell auf meinen Füßen war wie ein Reh, bestimmte mein Vater Jakob mich für alle Besorgungen und Botschaften. Und er gab mir einen Segen dem Hochwild2 gleich. So wie der Töpfer Tongefäße für verschiedenartigen Gebrauch herstellt, so entwirft der Herr den Körper für einen einzigartigen Geist, der ihn aufnehmen soll. Unterschiede zwischen verschiedenen Körpern sind geplant, nicht zufällig. So wie der Töpfer genau weiß, wofür jedes Gefäß dient, so kennt der Herr jeden Menschen. Er weiß, zu wie viel Gutem oder Bösem sie fähig sind und wann sie das Böse abwenden können. Gott weiß alles über seine gesamte Schöpfung. Und der Mensch wurde in Seinem Bild erschaffen. Das Werk eines Mannes hängt ab von seiner Kraft, seinem Verstand, seiner Berufung, von seinen Taten und von dem, was in seinem Herzen ist. Man kann das erkennen, wenn man ihn reden hört, seine Wünsche und Träume erfährt, seine Seele erkennt und seine Gewohnheiten studiert. Wenn man all das beobachtet, weiß man genau, ob er zum Herrn oder zu Belial gehört. Man kann die Trennlinie zwischen Licht und Dunkelheit in Männern und Frauen sehen und hören. Kein Volk und keine Rasse ist der anderen überlegen. Sie alle haben fünf Sinne, Verstand und Herz mit denselben Emotionen. Meine Kinder, übt Gerechtigkeit in der Furcht Gottes, und tut nichts außerhalb seiner zugehörigen Ordnung. Denkt daran, dass weder ein Auge hören kann, noch Dunkelheit die Werke des Lichts wirken kann.

3. Verändert nicht Gottes Wort

Entstellt euch nicht selbst durch Ausschweifung und täuscht euch nicht selbst mit leeren Worten.3 Wenn euer Mund geschlossen und euer Herz rein ist, könnt ihr dem Willen Gottes folgen und dem des Teufels widerstehen. Sonne, Mond und Sterne verändern auch nicht ihre Ordnung. Versucht nicht das Gesetz Gottes in etwas zu ändern, was ihr gern hättet. Ganze Nationen wichen vom Weg ab, verließen den Herrn, änderten die Ordnungen, beteten Steine und Holz an und folgten den Geistern des Irrtums. Werdet ihnen nicht gleich, meine Kinder. Erkennt, dass der Herr alles geschaffen hat und nur Er angebetet werden soll. Werdet nicht wie Sodom, welche die natürliche Ordnung gewandelt hatten, genau wie die Wächter es vor ihnen schon getan hatten. Sie verursachten damit die Sintflut und die Zerstörung der Erde.

4. Prophezeiung

Das sage ich euch, meinen Kindern, weil ich in den heiligen Schriften des Henoch gelesen habe, dass ihr auch vom Herrn abfallen werdet. Ihr werdet in der Bosheit der Heiden und dem Unrecht Sodoms wandeln. Der Herr wird Gefangenschaft über euch bringen. Dort werdet ihr euren Feinden dienen und mit allen Arten von Bedrängnissen und Trübsal überschüttet werden, bis der Herr euch alle aufgerieben hat. Wenn ihr danach nur noch wenige seid, werdet ihr zurückkehren und den Herrn euren Gott erkennen. Er wird euch gemäß Seiner überfließenden Gnade in euer Land zurückbringen. Nachdem ihr in das Land eurer Väter zurückgekehrt seid, werdet ihr den Herrn wieder vergessen und böse handeln. Der Herr wird euch dann über das Angesicht der ganzen Erde verteilen, bis Seine Barmherzigkeit wiederkommen wird. Sie wird in Gestalt eines Mannes kommen, der Gerechtigkeit wirkt und allen Gnade erzeigt, die weit weg sind und auch allen, die nahe sind.

6. Vision von der Sonne und dem Mond

Im 40. Jahr meines Lebens sah ich eine Vision von der Sonne und dem Mond, die östlich von Jerusalem über dem Ölberg stillstanden. Mein Großvater Isaak sagte zu uns: „Lauf und ergreife sie, jeder nach seiner Stärke. Und wer sie ergreifen wird, dem soll die Sonne und der Mond zu Willen sein.“ Dann liefen wir alle gemeinsam los und Levi ergriff die Sonne, Juda aber überholte die anderen und ergriff den Mond. Dann wurden beide mit ihnen hochgehoben.4 Als Levi zur Sonne wurde, gab ein gewisser junger Mann ihm zwölf Palmzweige. Juda schien so hell wie der Mond und unter seinen Füßen leuchteten zwölf Strahlen. Levi und Juda liefen und ergriffen einander. Auf Erden war ein Stier, der zwei große Hörner aufwies und die Flügel eines Engels auf seinem Rücken hatte. Wir wollten ihn fassen, aber konnten es nicht. Joseph überholte uns alle, ergriff ihn und stieg mit ihm auf. Als ich da stand, sah ich, und siehe, eine heilige Schrift erschien uns. Auf ihr stand geschrieben: Assyrer, Meder, Perser, [Elamiter, Gelachäer,] Chaldäer und Syrer werden die 12 Stämme Israels in Gefangenschaft führen.5

[In der aramäischen Version wird dieser Abschnitt am Ende von Kapitel 5 aufgeführt.]

Joseph reckte seinen Stab aus und schlug seinen Bruder Juda. Darauf sagte Juda: „Bruder, warum schlägst du mich?“ Joseph antwortete: „Weil du 12 Strahlen in deiner Hand hältst. Ich habe nur einen. Gib mir 10 und es wird Frieden herrschen.“ Juda weigerte sich aber. Joseph schlug ihn dann nochmal und nahm sich 10 Strahlen mit Gewalt. Nur zwei blieben Juda. Darauf sagte Joseph zu seinen 10 Brüdern: „Warum sollten wir Juda und Levi folgen? Folgt mir nach.“ Seine Brüder verließen Juda und Levi augenblicklich und nur Juda, Levi und Benjamin blieben übrig. Als Levi das sah, stieg er traurig von der Sonne hernieder. Joseph sagte zu seinem Bruder Benjamin: „Benjamin, du bist auch mein Bruder. Folge mir nach.“ Aber Benjamin wollte nicht. In jener Nacht kam ein Sturm auf, der Joseph von seinen Brüdern trennte, so dass nicht zwei von ihnen zusammenblieben.

6. Zweiter Traum

Nach sieben Monaten sah ich unseren Vater Jakob am Jamnia-Meer stehen. Wir, seine Söhne, standen bei ihm. Dann segelte ein Schiff an uns vorbei, [das war voll getrockneten Fleisches6]. Es fuhr ohne Matrosen und Steuermann. Auf dem Schiff stand Jakobs Name. Unser Vater sprach zu uns: „Lasst uns an Bord des Schiffes gehen.“ Als wir an Bord waren, kam ein heftiger Sturm auf und es wehte ein starker Wind. Unser Vater hielt das Ruder. Dann floh er von uns. Wir wurden vom Wind hin und her geworfen, während wir übers Meer getrieben wurden. Das Schiff füllte sich mit Wasser und wurde von einer mächtigen Welle geschlagen, so dass es fast zerbrach. Joseph floh in einem kleinen Boot. Wir alle wurden auf zwölf Planken verteilt, wobei Levi und Juda zusammen waren. Dann wurden wir weit auseinander getrieben. Daraufhin betete Levi, der in Leinen gekleidet war, für uns alle zum Herrn. Als der Sturm aufhörte, erreichte das Schiff wie ein zerfallenes Wrack sogleich das Land. Dann kam unser Vater Jakob und wir alle freuten uns sehr.

7. Jakobs Auslegung des Traums

Ich erzählte meinem Vater beide Träume. Er sagte mir: „Diese Dinge müssen sich zu ihrer Zeit erfüllen, nachdem Israel vieles durchgemacht hat.“ Dann erzählte mein Vater mir: „Ich glaube, dass Joseph noch lebt, weil ich merke, dass der Herr ihn immer als einen von uns darstellt.“ Dann fuhr er weinend fort: „Du lebst, Joseph, mein Kind, aber ich kann dich nicht sehen, und du kannst deinen Vater Jakob nicht sehen.“ Wir alle weinten, als er das sagte. Mein Herz zerbrach und ich wollte ihm erzählen, dass Joseph verkauft worden war, aber ich fürchtete mich vor meinen Brüdern.

8. Sachgerechte Ordnung

Meine Kinder, ich habe euch die letzte Zeit vorausgesagt und alles, was Israel da passieren wird. Ermahnt eure Kinder, dass sie sich mit Levi und Juda zusammentun; denn durch Juda wird die Erlösung aus Israel kommen und Jakob wird durch ihn gesegnet sein. Durch seinen Stamm wird Gott als unter den Menschen auf Erden lebend erkannt werden, um das Volk Israel zu erlösen. Er wird die Gerechten aus den Heiden zusammenholen. Wenn ihr dem Guten nachtrachtet, meine Kinder, so werden sowohl Menschen, als auch Engel euch segnen. Gott wird sich durch euch unter den Heiden verherrlichen. Die wilden Tiere werden euch fürchten und die Engel an euch hängen. Wenn ein Mensch sein Kind gut erzieht, dann denkt man gern an ihn zurück. Genau so erinnert sich Gott an diejenigen, die Gutes tun. Wer Böses tut, wird von Menschen und Engeln verflucht. Außerdem entehrt solch ein Mensch Gott unter den Heiden. Der Teufel macht solch einen zu seinem auserwählten Werkzeug. Jedes wilde Tier wird ihn überwinden und der Herr ihn hassen.

Die Gebote des Gesetzes sind zweifältig und müssen mit Verstand eingehalten werden. Zum Beispiel gibt es eine Zeit für einen Menschen, seine Frau zu umarmen, und eine Zeit es zu lassen, um fürs Gebet Zeit zu haben. So gibt es also zwei Gebote. Wenn sie nicht in ihrer zugehörigen Ordnung gehalten werden, dann führen sie zur Sünde. Genau so ist es mit den anderen Geboten. Trachtet nach göttlicher Weisheit, Verstand, Erkenntnis über den rechten Gebrauch der Gebote und das Gesetz über jedes Tun, damit der Herr euch liebt.“

9. Naphtalis Tod

Nachdem er sie mit diesen Worten ermuntert hatte, ermahnte er sie, dass sie ihn in Hebron bei seinen Vätern beisetzen sollten. Als er mit fröhlichem Herzen gegessen und getrunken hatte, bedeckte er sein Angesicht und starb. Seine Söhne hielten alles, was ihr Vater Naphtali ihnen geboten hatte.

4Q215 (oft auch „Zeit der Gerechtigkeit“ genannt)

Fragment 1

Sie werden durch die Versuchung des Abgrunds gejagt, bedrängt und unterdrückt werden, aber der Erwählte der Gerechtigkeit wird all ihre Ungesetzlichkeit vergeben, weil Seine Gnade und Seine Heiligen sie veredeln werden.7 Wenn das Zeitalter der Bosheit abgeschlossen ist, wird alle Ungerechtigkeit aufhören. Die Zeit der Gerechtigkeit wird anbrechen und die Erde wird voll der Erkenntnis und Herrlichkeit Gottes sein. In diesem Zeitalter des Friedens werden das unverfälschte Gesetz und das gerechte Zeugnis sie im Gesetz Gottes und seinen mächtigen Taten unterweisen. Jede Zunge wird Ihn preisen. Jeder wird sich beugen, um Ihm in einem Sinn zu dienen.8 Er wusste nämlich ihre Taten, bevor sie erschaffen wurden. Und Er hat ihre Grenzen für das Werk der Gerechtigkeit in ihrer Generation aufgeteilt; denn die Herrschaft der Gerechtigkeit kommt und Er wird den Thron der … aufrichten … und sehr hoch. Einsicht, Klugheit und gesunde Weisheit sind durch seine heilige Planung bewährt.9

Fragment 2

„ … seine Heiligkeit. Er richtete sie auf für …

Er erschuf sie, um zu erneuern …

von seinen/ihren Tagen, die Dunkelheit …

für seine festgelegten Zeiten … Dunkelheit …

für festgelegte Zeiten vor …

Hausherr …

Fragment 3

„ … um die Erde in Seinem Zorn zu zerstörten und sie wieder aufzubauen …

Quelle ihrer Erkenntnis, weil …“

Kommentar

Naphtali 4 sagt aus, dass Henoch dem Stamm Naphtali vorhersagte, dass sie in die Sünde Sodoms hineingezogen werden würden, welche in Kapitel 3 auf die Sünde der Wächter bezogen wird. Es wird zwei Vertreibungen geben.

Naphtali 5 offenbart eine Prophetie, die in vielem der des Propheten Gad gleicht.10 Die Sonne stellt das Priestertum Gottes auf Erden dar, das von Levi geleitet wird, und der Mond wird als Gottes Königreich auf Erden dargestellt, das von Juda angeführt wird. Israel wird von sieben Königreichen unterdrückt: Assyrien, Medien, Persien, Chaldäa [Babylon], Syrien und noch zwei weiteren. Für Einzelheiten siehe den prophetischen Überblick.

Naphtali 8 lehrt, dass der Erlöser aus der Abstammungslinie Judas kommen und beides sein wird: Gott und Mensch. Gerechte Heiden werden sich um ihn scharen. Im Fragment 1 von 4Q215 sagt Naphtali, dass der Messias im Zeitalter des Friedens „die wahren Gesetze Gottes“ lehren wird. Das impliziert, dass die Leviten das Gesetz Gottes verdreht und den Messias abgelehnt haben.


 

14Q25, Fragment 1

21. Mose 49,21

3Epheser 5,6

4Das Aramäische fügt hinzu: „Jeder von uns ergriff einen Stern – außer Joseph.“

5Die Elamiter und Gelachäer werden nicht in diesem Manuskript erwähnt.

6„Voller getrockneten Fleisches“ findet man nicht in allen Manuskripten.

7Daniel 11,35

8Philipper 2,10-11; Jesaja 45,23-24; Jedes Knie wird sich beugen und jede Zunge bekennen, dass Jesus der HERR ist.

9Lukas 7,35; Die Weisheit ist gerechtfertigt worden durch ihre Kinder.

10Siehe „Das antike Buch von Gad, dem Seher“, 1-2.